: Kleine Zugeständnisse
Die USA bieten mit ihrem dritten Entwurf einer Resolution zum Irak besonders Russland Anreize, ihn im Sicherheitsrat passieren zu lassen
BERLIN taz ■ Die USA haben gestern eine dritte Variante ihres gemeinsam mit Großbritannien und Spanien erstellten Entwurfs einer Irakresolution in den UN-Sicherheitsrat eingebracht. Sie sieht weiterhin auf unbestimmte Zeit nur eine „Interimsverwaltung“ vor, deren meiste irakische Mitglieder die beiden Besatzungsmächte USA und Großbritannien selber auswählen wollen. Die Besatzung soll jetzt allerdings nicht mehr für zunächst zwölf Monate festgeschrieben werden mit der Möglichkeit einer automatischen Verlängerung ohne erneuten Beschluss des Sicherheitsrates. Stattdessen heißt es, die Besatzung solle „so lange andauern, bis eine international anerkannte, repräsentative Regierung durch das irakische Volk eingesetzt worden ist und die Verantwortung übernommen hat“. Ob und wann eine künftige irakische Regierung „international anerkannt“ wird, können die USA als vetoberechtigtes Mitglied entscheidend mitbestimmen.
Der neue Resolutionsentwurf bleibt dabei, dass die beiden Besatzungsmächte die Kontrolle über alle relevanten Fragen für die Zukunft Iraks behalten sollen. Dem vorgesehenen Sonderbeauftragten des UNO-Generalsekretärs wird jetzt zugestanden, „mitzuarbeiten“, statt „mitzuhelfen“, wie es zuvor hieß. In Streitfällen sollen weiterhin die beiden Besatzungsmächte das letzte Wort haben.
Das Programm „Öl für Nahrungsmittel“ soll nach dem jüngsten Entwurf nicht bereits zum 3. Juni, sondern erst zum 3. August auslaufen. Dahinter steht zum einen die Erkenntnis der beiden Besatzungsmächte, dass sie bislang nicht in der Lage sind, die humanitäre Versorgung der Bevölkerung auch ohne das UNO-Programm zu gewährleisten. Zudem käme die Verlängerung vor allem Russland zugute, das im Rahmen des Programms die umfangreichsten Verträge mit Bagdad abgeschlossen hatte und diese gerne noch umsetzen würde. Die Bush-Administration kalkuliert, Moskau könne nach diesem „Entgegenkommen“ Washingtons bereit sein, dem Resolutionsentwurf zuzustimmen.
Zur Frage der UNO-Waffeninspektoren, die in den ersten beiden Entwürfen überhaupt nicht erwähnt wurden, heißt es nun, dieses Thema solle zu einem unbestimmten Zeitpunkt noch einmal vom Sicherheitsrat „überprüft“ werden. Eine Rückkehr der UNO-Inspektoren schloss US-Botschafter John Negroponte vor Journalisten allerdings ausdrücklich aus.
Führende Vertreter von Organisationen, die erbitterte Gegner des Saddam-Hussein-Regimes waren, kritisierten nach einer Konferenz in Berlin wesentliche Passagen des Entwurfs. Er verweigere „die Anerkennung der Souveränität des irakischen Volkes“, meint beispielsweise Ali Al-Bayati, Leiter des Londoner Büros des Obersten Rats für die Revolution im Irak. Scheich Mohammed Ali vom Irakischeh Nationalkongress forderte die „schnelle Bildung einer Übergangsregierung“, die „ihre Legitimation von der UNO erhalten müsse“.
ANDREAS ZUMACH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen