: Biofleisch bleibt in der Nische hängen
Die konventionelle Fleischproduktion ist der ökologischen wirtschaftlich massiv überlegen. Gründe: Verschleierung von Umweltkosten und Handel mit großen Mengen. Organisation Foodwatch fordert von Rot-Grün, Agrarwende zu unterstützen
AUS BERLIN HANNA GERSMANN
Das Schnitzel in der transparenten Plastikschachtel glänzt ein wenig rosa, frisch sieht es aus. Genau wie die Biovariante daneben. Der einzige Unterschied für den Käufer: der Preis. „Der lügt aber!“, wetterte Thilo Bhode von der Verbraucherorganisation Foodwatch gestern. Das konventionelle Fleisch im Supermarkt sei nur deshalb so billig, weil die „Kosten durch Umweltschäden“ nicht berücksichtigt würden. Jedes herkömmlich aufgezogene Schwein müsse eigentlich 50 Euro teurer werden. Verbraucherschutzministerin Renate Künast rief Bode deshalb auf, mehr zu tun, als „nur eine Schnäppchendebatte zu führen“.
„Was kostet ein Schnitzel wirklich?“ heißt die Studie, auf die sich Bode stützt. Forscher des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) in Berlin haben im Auftrag von Foodwatch acht Monate lang Ökobilanzen gewälzt, Experten befragt und Modelle für die ökologische und konventionelle Fleischproduktion entwickelt. Ihr Fazit: Wer ein Kilo Ökoschnitzel produziert, verbraucht ein Viertel weniger Energie, belastet die Umwelt um 75 Prozent weniger mit Treibhausgasen, spart Dünger und Ackergifte. Dafür müssen bis zu 95 Prozent mehr Arbeit investiert werden als in der konventionellen Produktion.
Andersherum heißt das laut Thomas Korbun vom IÖW: Würden die ökologischen Lasten bei der Schnitzeljagd berücksichtigt, müsste der konventionell wirtschaftende Landwirt mindestens 1,90 Euro pro Kilo statt 1,43 Euro wie bisher vom Handel verlangen. Damit würde sich der ehrliche Preis dem des Ökofleischs annähern, das derzeit beim Erzeuger 2,26 Euro kostet.
Selbst dann müsse der Verbraucher aber immer noch für Bio draufzahlen, so der Experte. Denn bis zu 10 Euro des Ökopreises mache allein die Vermarktung aus. Das hängt schlichtweg mit den Mengen zusammen: 37,5 Millionen Schweine werden in Deutschland pro Jahr geschlachtet, gerade mal 100.000 davon werden biologisch aufgezogen. Dass es durchaus anders geht und Bio nicht nur mühsam über kleinere Läden verkauft werden muss, zeigt die Handelskette Edeka Nord. Über die Marke „Gutfleisch“ vertreibt sie neben den konventionellen auch Ökoprodukte. Weil sie ihre Maschinen und Laster zur Verfügung stellt, liegt der Ökoaufschlag statt bei knapp 100 Prozent nur bei 20.
Wolle Künast tatsächlich die Agrarwende, müsse sie „endlich die „Umwelt - und Vertriebskosten angehen“, sagte Thilo Bode. Genauso müsse eine bessere Werbung her, um die Ökonachfrage zu steigern. Der deutsche Verbraucher – er verzehrt im Jahr rund vierzig Kilo Schweinefleisch – sei durchaus bereit, etwas mehr Geld zu berappen. Er müsse nur erfahren, wofür.