: Rau statt ans Horn lieber nach Haus
Bundespräsident bricht Afrikareise ab, weil Geheimdienst vor islamistischem Mordanschlag im ostafrikanischen Dschibuti warnte. Dschibuti ist beleidigt. Regierung sieht keine erhöhte Terrorgefahr – nicht in Deutschland oder für deutsche Politiker
VON JENS KÖNIGUND ULRIKE WINKELMANN
Der Kommunikationsminister von Dschibuti war bestürzt. Rifki Abdoulkader Bamakhrama beschwerte sich gestern, dass durch Johannes Raus Besuchsabsage der Ruf des Landes geschädigt werde. „Es sind genau diese Gerüchte über Instabilität und Unsicherheit, die unser Land umbringen“, sagte er.
Leider jedoch hatte der deutsche Bundespräsident auf den Geltungsbedarf des Zwergstaats am Horn von Afrika keine Rücksicht genommen. Rau entschied am Dienstagabend, dass er seine neuntägige Afrikareise abbrechen und am Mittwoch nicht für drei Stunden nach Dschibuti, sondern direkt nach Hause fliegen würde. Ein Besuch bei den etwa 250 im Hafen von Dschibuti auf der Fregatte „Augsburg“ stationierten deutschen Soldaten fiel daher aus. Am frühen Abend landete Rau in Berlin.
Grund der Absage war eine dringende Warnung des Bundesnachrichtendienstes BND: Der Geheimdienst hatte am Dienstag „konkrete Hinweise“ darauf erhalten, dass am Mittwoch in Dschibuti ein Mordanschlag durch islamistische Kreise auf Rau geplant war. Eine BND-Sprecherin erklärte gestern, die Hinweise seien so brisant gewesen, dass der BND binnen weniger Stunden das Kanzleramt informiert habe. Dies alarmierte dann Rau, der noch im tansanischen Daressalam weilte und die Nachricht im Beisein der mitreisenden Journalisten vortragen ließ.
Offiziell wurde gestern nichts Genaueres über die Anschlagshinweise gesagt. Diverse Presse- und Fernsehreporter verfügten jedoch über Informationen, wonach in Dschibuti die Wagenkolonne des Bundespräsidenten auf dem Weg zum Präsidentenpalast oder zum Hafen mit Panzerfäusten oder Autobomben attackiert werden sollte. Auch ein Anschlag mit Mörsern auf dem Flughafen wäre in Betracht gekommen.
Die Warnung habe sich laut BND nicht auf Rau selbst, sondern auf ein „westliches Staatsoberhaupt“ bezogen – außer Rau weilte allerdings gestern niemand dergleichen in Ostafrika. Innenminister Otto Schily (SPD) sagte, er halte die Anschlagsdrohung für „eher regional“, also nicht auf die Person Rau bezogen. „Aber wir müssen uns auch darauf einstellen, dass sich solche Anschlagsdrohungen auf Europa erstrecken“, sagte Schily.
Schilys Sprecher Rainer Lingenthal ergänzte seinen Chef: Es gebe keine spezifische Bedrohung anderer deutscher Repräsentanten inner- oder außerhalb Deutschlands, und insgesamt habe sich die Sicherheitslage hierzulande nicht verschärft. Auch die Marinesoldaten in Dschibuti seien nicht weiter bedroht, erklärte das Bundesverteidigungsministerium. Die Sicherheitslage sei „weiter ruhig und stabil“, die Soldaten seien allerdings in erhöhte Wachsamkeit versetzt worden.
Schon vor der Reise des Bundespräsidenten nach Nigeria und Tansania hatten die deutschen Geheimdienste vor einer erhöhten Gefährdungslage gewarnt. Im nordtansanischen Arusha hatten Rau und seine Frau Christina deshalb nicht im Hotel, sondern in einer besser zu sichernden Lodge außerhalb der Stadt gewohnt. Im Kanzleramt sprach man gestern von einer „regionalen Gefährdungslage“ in Dschibuti, Sudan und Somalia. Die Terrorgruppen würden eher in Somalia und im Sudan vermutet, hätten aber einen unkontrollierbaren Zugang zu Dschibuti.
Vizeregierungssprecher Thomas Steg wies darauf hin, dass es in Dschibuti schon vor einer Woche einen „gezielten Tötungsanschlag“ auf einen deutschen Mitarbeiter der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) gab. Er überlebte schwer verletzt, seine Begleiterin starb. Steg wies Zweifel am Umgang mit den Anschlagshinweisen zurück. Zuvor hatte der Sprecher des dschibutischen Außenministeriums, Zyad Doualeh, sich „erstaunt“ über Raus Reiseabsage geäußert. Er könne „mit absoluter Überzeugung sagen, dass die Drohungen gegen Präsident Rau nicht ernst zu nehmen waren“. Steg erklärte dazu, es habe sich rein um Erkenntnisse der deutschen Behörden gehandelt.
Rau ließ noch vorgestern Abend erklären: „Ich will meine Reisepläne auch in Zukunft nicht von Terroristen diktieren lassen. Ich musste mich aber davon überzeugen lassen, dass ein Festhalten an dem Besuchsprogramm unter diesen Umständen und an diesem besonderen Ort viele Menschen in erhebliche Gefahr gebracht hätte.“ Auch die deutschen Marinesoldaten äußerten ihr Bedauern über die Absage. Im Gegensatz zu Dschibutis Regierung erklärte der Marinesprecher in Dschibuti, Walter Prüß, jedoch: „Wir haben aber vollstes Verständnis dafür.“