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Archiv-Artikel

Heimliche Tricks mit dem Motto

Wehrmachtsausstellung: Verwaltungsgericht lehnt Klage auf Erlass eines Aufmarschverbots für Neonazis durch die Polizei ab. Die Losung der Nazis sei nicht eindeutig strafbar. Antifaschisten sahen im Tenor „Reemtsma lügt“ Volksverhetzung

von PETER MÜLLER

Das hat es noch nie gegeben: Häufig schon wurde die Polizei verklagt, ein Demoverbot aufzuheben; in diesem Fall hat die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) beim Verwaltungsgericht (VG) Hamburg beantragt, mit einer einstweiligen Anordnung die Hamburger Polizei dazu zu verpflichten, den morgigen Neonazi-Aufmarsch gegen die Wehrmachtsausstellung zu verbieten. Das Gericht wies die Klage gestern als „formal unbegründet“ ab.

Anwältin Gabriele Heinecke, die neben den Veranstaltern auch die Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano vertritt, hatte im Motto des Aufmarsches den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt gesehen. Denn das Motto „Reemtsma lügt – wir haben gesiegt“ sei „nicht abstrakt als Meinungsäußerung“ anzusehen, so Heinecke. Ziel sei das „Leugnen des Inhaltes der Ausstellung ‚Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941-1944‘ und damit des Holocaust und der Verbrechen der Wehrmacht“.

Wer begangene Handlungen unter der Herrschaft des Nationalsozialismus aber auf einer Versammlung leugne und verharmlose, begehe eine Störung des öffentlichen Friedens: „Unter Strafe gestellt ist das wahrheitswidrige Bestreiten des als offenkundige geschichtliche Tatsache anerkannten Völkermords im Ganzen sowie das Leugnen des Holocaust“, so Heinecke.

Das VG begründet die Ablehnung der Klage laut Sprecherin Angelika Huusmann damit, dass der angemeldete Marsch nicht das angegriffene Motto „Reemtsma lügt...“ habe, sondern „Ausgewandert – Reemtsma-Wanderzirkus gibt das Reisen auf“. Daher seien verschiedene Interpretationen möglich, die nicht ausdrücklich den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen.

Heinecke wird nun Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht einlegen und will notfalls das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anrufen. Sie stützt ihre Rechtsauffassung nämlich auf ein Urteil des BVerfG, das vor zwei Wochen in Bochum den Aufmarsch „Stoppt den Synagogenbau – vier Millionen fürs Volk“ verboten hatte. Das BVerfG hatte geurteilt, dass die Parole nicht als finanzpolitische Forderung, sondern „im geschichtlichen Gesamtkontext“ zu sehen sei und hatten sie deshalb als Volksverhetzung eingestuft. Daran hatte auch nichts geändert, dass die Veranstalter kurzfristig das Motto geändert hatten.