piwik no script img

Archiv-Artikel

Mehdorn übt Erfolgsaneignung

Der Bahnchef präsentiert die Bilanz 2002: Sein Unternehmen verzeichnet fast eine halbe Milliarde Euro Verluste. Eine schnelle Reform der Reform soll die Bahn wieder auf die Erfolgsspur bringen. Das Aus für die alte Bahn-Card ist offenbar endgültig

aus Berlin CHRISTIAN HONNENS

Mit eiserner Miene wartet Hartmut Mehdorn darauf, dass er die Bilanz vortragen muss. Selbst als die vielen Kameras auf ihn gerichtet sind, lässt er den rechten Mundwinkel hängen. So hat es sein „Guten Morgen“ schwer, motivierend und optimistisch zu klingen. „Das Jahr 2002 war insgesamt ein gutes Bahnjahr“, beginnt der Vorstandschef der Deutschen Bahn AG – und beschreibt eine Erfolgsgeschichte: etwa die neue Hochgeschwindigkeitsstrecke von Frankfurt nach Köln, den größten europäischen Fahrplanwechsel der Geschichte und den Kern des neuen Preissystems. Die umstrittenen Tarife, das ist sein Zugeständnis, würden schon in den nächsten Wochen kundenfreundlicher. Insgesamt aber verlangt Mehdorn dafür mehr Zeit – erst im Herbst, nach einem Jahr, könne das Preissystem sinnvoll bewertet werden. Trotzdem werde man weiter daran arbeiten und damit die Spirale in die richtige Richtung führen. Seine Hand bewegt sich kreisförmig nach unten.

Der Gesamtumsatz der Bahn stieg im Geschäftsjahr 2002 um 0,3 Prozent auf 15,77 Milliarden Euro. Um die Zahlen vergleichen zu können, ist der Anteil des neu hinzu gekommenen Stinnes-Konzerns nicht eingerechnet. Im Gesamtjahr machte die DB AG einen Verlust von 493 Millionen Euro – immerhin 57 Millionen weniger als vom Unternehmen prognostiziert. Allerdings ist im ersten Quartal dieses Jahres der Umsatz im Fernverkehr um 13,5 Prozent eingebrochen.

Mehdorn verteidigt die Konzernergebnisse mit externen Einflüssen: Er nennt etwa die Billigflugkonkurrenz, Unwetter, Stürme und Hochwasser. Auch die schlechte Konjunktur und die Arbeitslosen hätten dazu beigetragen. „Die kaufen schließlich keine Fahrkarten.“ In Zukunft will Mehdorn mit „Pünktlichkeit, Sauberkeit und Zuverlässigkeit“ punkten. Auch die Beratung soll besser werden.

Damit liegt der Arbeitgeber mit der Bahngewerkschaft Transnet auf einer Linie. Sie verlangt einen „Service-Aufbruch“. „Mit mehr Kundendienst werden mehr Personen befördert, das bringt mehr Umsatz und mehr Personal“, so die einfache Rechnung des Vorsitzenden Norbert Hansen. Er halte es für fatal, wenn wie geplant 3.000 Stellen in den Reisezentren gestrichen würden, auch wenn Erträge dort nicht direkt messbar seien. Zudem solle die Bahn prüfen, ob „ein Produkt zwischen Regional-Express und Intercity“, also etwas wie der Interregio, wiederbelebt werden müsse.

Der Gewerkschafter nahm Mehdorn jedoch in Schutz, auch wenn dieser gestern seiner Hauptforderung, die alte Bahn-Card mit dem 50-Prozent-Rabatt wieder aufzulegen, eine klare Absage erteilte. Der Bahnchef habe „in den letzten Tagen gezeigt, dass er sich ändern kann“. Beide sind sich einig, dass vor dem geplanten Börsengang 2005 die politischen Rahmenbedingungen klar sein müssen. Mehdorn erwartet für die Bahn eine „interessante Zukunft“. Als Vorstandsmitglied Diethelm Sack die geplanten Verbesserungen erklärt, nickt sein Chef zustimmend und wieder entspannt. Mehdorn hat die Hoffnung nicht aufgegeben.