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Bombenwerkstatt in Spanien gefunden

Die Anschläge auf die Pendlerzüge vom 11. März wurden in einem Haus in der Nähe von Madrid vorbereitet. Die als Zeitzünder verwandten Handys führen die Ermittler zum Erfolg. Nach dem mutmaßlichen Anführer der Attentäter wird noch gefahndet

AUS MADRID REINER WANDLER

Der Kreis schließt sich. Die spanischen Ermittler haben die Werkstatt gefunden, in der die 14 Bomben für die Anschläge auf die Pendlerzüge am 11. März in Madrid vorbereitet wurden. In einem Haus auf einem Acker in der Nähe von Chinchón, 40 Kilometer südöstlich der spanischen Hauptstadt, fanden die Ermittler Spuren des bei den Anschlägen zum Einsatz gekommenen Sprengstoffs Goma 2 Eco sowie mehrere Zünder. Die Sprengsätze wurden am Nachmittag vor den Anschlägen zusammengebaut und aktiviert.

Der schnelle Ermittlungserfolg gelang Dank eines Sprengsatzes, der nicht explodierte und von der Polizei entschärft werden konnte. Das als Zeitzünder verwandte Handy führte die Beamten zu zwei indischen Großhändlern in Madrid. Diese hatten zwei Wochen vor den Anschlägen 100 Pre-Pay-Karten an den Marokkaner Dschamal Sugam verkauft. Sugam unterhielt mit zwei Freunde einen Telefonladen im Zentrum Madrids. Dort wurden die Handys für die Zeitzünder vorbereitet. Die drei Marokkaner wurden zwei Tage nach den Anschlägen festgenommen.

Die Ermittler prüften bei der Telefongesellschaft die Anrufdaten der Pre-Pay-Karten. Um sie zu aktivieren, muss der Kunde ein erstes Telefonat führen. Das Handy loggt sich damit automatisch bei der Telefongesellschaft ein. Die Ermittler stellten fest, dass bei 14 der fraglichen Karten dieser Anruf am Nachmittag vor den Anschlägen von einer ländlichen Gegend südöstlich der Hauptstadt aus gemacht wurde. Nach längerem Suchen stießen die Beamten auf das Landhaus. Sie überwachten es eine Woche lang, in der Hoffnung, jemand könnte dorthin zurückkehren.

Als dies nicht geschah, drangen die Ermittler am Freitagabend in das Landhaus ein. Neben Spuren von Sprengstoff fanden die Polizei explodierte und verbrannte Zünder. Die Islamisten hatten wohl experimentiert, um sicher zugehen, dass die Handys als Zeitzündermechanismus funktionierten. In einem Schuppen hatten die Bewohner des Hauses eine Grube ausgehoben, die sie mit Mauerwerk auskleideten. Vermutlich diente ihnen dieses Loch als Lagerraum für die mehr als 110 Kilogramm Dynamit, die sie von einem ehemaligen Bergarbeiter in der nordspanischen Provinz Asturien für 7.000 Euro und eine größere Menge Haschisch erstanden.

Am Tag 10. März teilten sie den Sprengstoff auf 14 Rucksäcke und Sporttaschen auf, mengten Nägel bei, um die tödliche Wirkung der Explosion zu erhöhen, aktivierten die Handys und schlossen sie an die Zünder an. Am nächsten Morgen fuhren die Terroristen in das 30 Kilometer entfernte Alcalá de Henares, wo sie die Bomben in den Zügen deponierten. Der Rest ist traurige Geschichte.

Im Haus bei Chinchón wurden unzählige Dokumente sichergestellt. Außerdem fanden sich Fingerabdrücke. Darunter die von Dschamal Sugam und einem weiteren inhaftierten Marokkaner, Abderrahim Zbakh, ein ehemaliger Chemiestudent. Außerdem sollen nach Presseberichten auch Fingerabdrücke des Mannes gefunden worden sein, den die spanischen Ermittler für den eigentlichen Kopf der Operation halten. Nach ihm wird gefahndet. Seine Identität wurde bisher nicht preisgegeben.

Das Landhaus wurde von den Marokkanern seit vier Jahren benutzt. An den Wochenenden fanden des öfteren größere Treffen statt, das letzte eine Woche vor dem 11. März. Die Nachbarn konnten der Polizei mehrere der Teilnehmer und deren Pkws beschreiben. Die Fahndung läuft.

Am Samstag wurde ein weiterer Marokkaner festgenommen. Vermutlich führten die Dokumente aus der Bombenwerkstatt zu ihm. Damit befinden sich 19 Männer und eine Frau in Händen der Ermittler. Gegen 14 wurde bereits Haftbefehl erlassen.

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