„Machen Sie es groß, dann wird es schon richtig“

Unter Museumsdirektor Christoph Stölzl sah man im DHM grandiose Ausstellungen. Seit seinem Weggang greift der Sinn fürs Kunstgewerbliche

BERLIN taz ■ Die Damen und Herren waren ein wenig verdutzt. Den ganzen Vormittag hatten sie im Berliner Reichstagsgebäude über ein geplantes „Forum für Geschichte und Gegenwart“ debattiert, als der junge Museumsdirektor aus München das Wort ergriff und erklärte, dass es auf ihre komplizierten Erwägungen gar nicht ankomme. „Machen Sie es groß, dann wird es schon richtig“, riet er den Berlinern.

Der junge Mann aus München hieß Christoph Stölzl, und mit diesem Namen war die Idee eines Geschichtsmuseums seit jenem 13. Januar 1984 untrennbar verknüpft. Ein zweiter Name kam alsbald ins Spiel. Helmut Kohl ergriff die historische Gelegenheit, Großes zu tun. Zum Missfallen der linksliberalen Öffentlichkeit fasste er den „fatalen Doppelbeschluss“ (Spiegel), nicht nur in Bonn ein Haus der Geschichte der Bundesrepublik zu bauen, sondern den Berlinern zu ihrem 750. Stadtjubiläum ein Deutsches Historisches Museum zu schenken.

Wenig später lud der studierte Historiker eine Runde von Museumsfachleuten, Geschichtswissenschaftlern und Kunstexperten zu Wein und Kuchen ins Bonner Kanzleramt. Die Streitfrage, ob man ein festes Museum oder ein Haus für wechselnde Ausstellungen wollte, wurde nach Manier der westdeutschen Überflussgesellschaft gelöst: Die Planer entschieden sich für beides zusammen und gaben beim italienischen Architekten Aldo Rossi stolze 21.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche in Auftrag.

Ausgerechnet die Geschichte war es, die das Bauprojekt für das Geschichtsmuseum über den Haufen warf. Nach der Wiedervereinigung musste Stölzl mit dem barocken Zeughaus der Preußenherrscher vorlieb nehmen, das zu DDR-Zeiten als Museum für deutsche Geschichte gedient hatte. Die Ausstellungsfläche schrumpfte auf weniger als die Hälfte, und die endgültige Eröffnung der Dauerausstellung – jetzt für Herbst 2004 geplant – rückte in immer weitere Ferne.

Stölzl schaffte es als begnadeter Ausstellungsmacher gleichwohl, sein Haus mit gefeierten Sonderausstellungen ins Gespräch zu bringen. Bismarck, das „Europa der Diktatoren“, die Ikonografie der DDR: Kaum eines der großen Themen ließ der Museumschef aus. Zugleich konnte Stölzl den Verdacht entkräften, das DHM lasse sich als „Kohl-Museum“ vor den parteipolitischen Karren spannen.

Doch im Frühjahr 2000 traf Stölzl eine Entscheidung, die sich für ihn selbst wie für das DHM als fatal erweisen sollte. Der Museumsdirektor, der aus persönlichen Gründen schon länger nach Veränderung strebte, wechselte in die Berliner Stadtpolitik. Nach Stationen als Kultursenator und CDU-Landeschef ist er unlängst grandios gescheitert.

Nachfolger Hans Ottomeyer, zuletzt Museumsdirektor in Kassel, konnte an die Erfolge der Stölzl-Ära nicht anknüpfen. Ausstellungen über Hexenwahn oder Tafelzeremoniell zeugten von allzu großer Vorliebe fürs Kunstgewerbliche. Mit einer Holocaust-Ausstellung begab sich Ottomeyer in eine aussichtslose Konkurrenz zu den zahlreichen Berliner Gedenkstätten, und bei einer Fotoausstellung des brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado war der Geschichtsbezug nicht recht ersichtlich.

Obendrein kämpft das Museum mit empfindlichen Kürzungen beim Ausstellungsetat, der in den vergangenen fünf Jahren von 4,7 auf 1,3 Millionen Euro schrumpfte. Dem glanzvollen Neubau wie dem aufwändig sanierten Altbau droht damit ein Schicksal wie vielen anderen Kultureinrichtungen in Deutschland. „Die Bauten blühen“, sagt Ottomeyer, „für den laufenden Betrieb fehlt dann oft das Geld.“

RALPH BOLLMANN