: Aufmarsch am Genfer See
Die Vorbereitungen für den G-8-Gipfel in Evian laufen bereits auf vollen Touren. Die Schweiz und Frankreich rüsten mit deutscher Hilfe auf. „Panikmache“, sagt Attac. Die Mobilisierung der Protestbewegung lässt indes noch zu wünschen übrig
aus Berlin BEATE WILLMS
Für die deutschen Medien ist der G-8-Gipfel der Staats- und Regierungschefs bislang vor allem ein diplomatisches Ereignis: Wie wird sich US-Präsident George W. Bush gegenüber jenen verhalten, denen er wegen mangelnder Unterstützung seines Kriegs gegen den Irak die Freundschaft aufgekündigt hat? Die Westschweizer Zeitungen spekulieren zwar auch darüber, aber ihr Hauptthema zum Gipfel, der vom 1. bis 3. Juni in Evian stattfindet, sind die angekündigten Proteste von Globalisierungskritikern. Ihre Sorge: „Lausanne und Genf werden brennen.“
Das Treffen der Staatschefs aus USA, Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Kanada, Japan, Italien und Russland ist nach dem 11. September 2001 das erste große Ereignis, gegen das die Bewegung übergreifend mobilisiert. Mindestens 100.000 Protestler werden erwartet.
Das dezentrale Konzept für den Gipfel bietet ihnen einige Angriffspunkte – und schiebt einen Großteil des Risikos auf die Schweiz ab. Schließlich müssen viele Gäste über den Flughafen in Genf einreisen und dürften dort auch Quartier beziehen. Die Behörden haben die Gegend um Evian bis nach Thonon und Lausanne zur „roten Zone“ erklärt.
Knapp 13.000 Sicherheitskräfte sollen hier im Einsatz sein, hauptsächlich Schweizer, aber auch 1.000 Deutsche: 750 Polizisten und 250 Mann Besatzung für die 15 eingeplanten deutschen Wasserwerfer. Die Schweiz bietet 4.700 Polizisten und 7.000 Soldaten auf. Frankreich hat 11.000 Bewaffnete und jede Menge Fluggerät angekündigt. Die Kosten werden auf rund 26 Millionen Euro geschätzt, knapp 12 Millionen will Paris übernehmen. Vorsorglich wird der Luftraum über dem Genfer See vom 31. Mai bis zum 4. Juni gesperrt und der Schiffsverkehr eingeschränkt. Bis zum 4. Juni ist das Schengener Abkommen für die französische Grenze ausgesetzt. Sowohl die französischen als auch die Schweizer Grenzer haben die Order zu „systematischen Kontrollen“. 300 „potenzielle Randalierer“ aus den Nachbarländern stehen auf der schwarzen Liste. Beim globalisierungskritischen Netzwerk Attac sieht man das „riesige Sicherheitsaufgebot“ und die Kontrollen als Einschränkung der Bürgerrechte und Panikmache.
Die Mobilisierung zu den Protesten verläuft dagegen in Deutschland noch „eher schleppend“, wie der Berliner Evian-Koordinator von Attac, Lukas Engelmann, der taz sagte. Die Aktionen während des Irakkriegs hätten Motivations- und Kapazitätslücken hinterlassen. Er rechnet mit „gut 5.000 Leuten“, die aus Deutschland zum Gipfel fahren, etwa die Hälfte davon über Attac.
Eine Fahrradtour ist bereits gestern gestartet. Am Mittwoch soll ein Sonderzug folgen, der 1.000 Menschen von Berlin über 16 Zwischenstationen wie Hannover, Köln, Frankfurt/Main, Freiburg an den Genfer See bringt. „Karten sind noch zu haben“, bestätigt Engelmann. Fünfundzwanzig Sonderbusse mit unterschiedlichen Startpunkten sind in einer Internet-Busbörse registriert.
In Genf, Lausanne und dem Grenzort Annemasse warten Camps auf die Protestler. Gegenveranstaltungen finden in Genf die ganze Woche, in den beiden anderen Orten ab dem 29. Mai statt. Themen etwa: „Nachhaltige Entwicklung und Migration“, „Wasser“, „Schulden und Entwicklung“, „Krieg und Widerstand“.
Am 30. gibt es rund um den See eine erste gemeinsame Protestaktion. Zentrales Ereignis ist aber die große Demonstration in Genf, Lausanne und Annemasse am 1. Juni, die um 10 Uhr beginnt. Parallel dazu soll mit einer „an Seattle orientierten Taktik“ der Transfer der Gipfelteilnehmer blockiert werden. BEATE WILLMS