: Mit Zeitung und Stölzl
Osnabrück und Braunschweig, die zwei niedersächsischen Kandidaten für die europäische Kulturhauptstadt 2010, präsentieren ihre Bewerbungen
aus Hannover KAI SCHÖNEBERG
„Im Westen nichts Neues“ hatte Erich Maria Remarque einst geschrieben – und damit eigentlich nicht seine Geburtsstadt Osnabrück gemeint. Dennoch rückten in der vorigen Woche zwei Busse aus der „Friedensstadt“ vor dem Kulturministerium in Hannover an. Darin: 44 Steckenpferdreiter aus Osnabrück‘schen vierten Schulklassen, die die Kuriere symbolisieren sollten, die 1648 zwischen den „Delegationsstädten“ des Westfälischen Friedens – Münster und eben Osnabrück – pendelten. Seit 1953 ist das Holzpferdchenreiten in Osnabrück Tradition. Gibt es doch noch Neues aus der Stadt im Westen Niedersachsens?
Der „Kulturbegriff“ des europäischen Hauptstadtwettbewerbs für das Jahr 2010 solle „durch die Friedenskultur Osnabrücks“ erweitert werden, erzählte Oberbürgermeister Hans-Jürgen Fip (SPD). „Als Ausdrucksform der Einzigartigkeit der Bewerbung“, drechselt Fip weiter, habe man eine Zeitung produziert: das offizielle Bewerbungsschreiben namens „2000zehn“.
Darin schwärmen Rita Süssmuth (CDU) oder der Architekt Daniel Libeskind davon, dass die Friedensstadt ein „Modell für andere Städte werden“ könnte. „Eine gelungene, sympathische, kreative Aktion“, findet der niedersächsische Kultusminister Lutz Stratmann (CDU). Die Osnas hätten „eine sehr ernst zu nehmende Bewerbung“ präsentiert – allerdings mit „einem sehr hohen Risiko“. „Unabhängig vom Ergebnis“ sei der Auftritt „positiv für Osnabrück“, weil: „Wettbewerb ist gut für Qualitätssteigerung“.
Im Koalitionsvertrag haben sich CDU und FDP bereits im vergangenen Jahr auf Braunschweig als niedersächsischen Bewerber festgelegt. Da habe sich wohl „niemand was bei gedacht“, meint Fip und bittet die Landesregierung, Osnabrück trotzdem zu berücksichtigen, wenn sie Mitte April entscheidet, welche niedersächische Kandidatin sie gen Bundesrat weiterreicht.
„Dabei sein ist alles“ oder „Scheitern als Chance“, könnte man sagen. Oder: Das Ganze ist ein mit 100.000 Euro eigentlich gar nicht zu teurer Marketing-Schachzug. Fraglich nur, wieso die Osnabrücker Verwaltung angeblich gerade jetzt plant, Kulturzuschüsse zu reduzieren: Allein dem Theater sollen 423.000 Euro weniger drohen. „Die Vorfestlegung auf Braunschweig ist ein nicht ganz so großes Problem für uns“, sagt Fip zum Schluss. Klar scheint: Nur wenn die Brunswicker richtig patzen, sind die Osnabrücker Friedensritter noch im Rennen.
Ein nicht ganz kleiner Patzer war es dann doch, als Braunschweigs Bewerbungs-Kurator Christoph Stölzl gestern die Überreichungszeremonie im Ministerium nach wenigen salbungsvollen Worten und 20 Minuten wieder verließ. Dabei ist der vielfach Ehemalige gar nicht so überbeschäftigt: Der Ex-Chef des Deutschen Historischen Museums in Berlin, Ex-Vize der Tageszeitung Die Welt, Ex-Senator und Ex-Landesvorsitzender der Berliner CDU ist heute „nur“ noch Vize-Parlamentspräsident in Berlin – und eben Grüßonkel der Braunschweiger.
Die Region Braunschweig wartete dafür mit einer recht gelungenen Präsentation auf, gespeist aus einem Bewerbungsbudget in Höhe von immerhin über 1,4 Millionen Euro. Neben der „Jazzkantine“, Braunschweiger Mimen von Lessing, Eulenspiegel, Heinrich dem Löwen und Gauß, hatte die Delegation ein Bewerbungsbüchlein mit dem Thema „Zeitlandschaften“ mitgebracht. Darin: Braunschweigs Museumslandschaft samt Ausblick auf die seit langem geplante Kunsthalle, ein Hinweis darauf, dass Goethes „Faust“ an der Oker immerhin uraufgeführt wurde. Dazu ein Abriss der Metamorphose der Stadt vom Fürstensitz zur postindustriellen City, in dem immerhin nicht der Hinweis darauf fehlt, dass der geplante Wiederaufbau der Schlossfassade samt Kaufhausinhalt vor Ort höchst umstritten ist.
„Ich werde dem Minister diese Bewerbung ans Herz legen“, sagte Kultur-Staatssekretär Josef Lange, der Stratmann gestern vertrat. Lange war auch Staatssekretär unter Kultursenator Stölzl. Mindestens so dürfte sich dessen Nominierung doch noch als Glücksgriff erweisen. Lange ließ wenig Zweifel für die Osnabrücker: „Wenn der Löwe auf 2010 weist und brüllt, dann werden Zeitlandschaften auch erfahrbar.“