: Rot-Grün sponsert Atomkraft besonders
Die Regierung subventioniere Energie aus Wind und Sonne unverhältnismäßig hoch, behaupten Stromkonzerne. Dabei wird jeder Steinkohle-Job mit 82.000 Euro pro Jahr gefördert. Und die üppigen Forschungsgelder fließen vor allem in die Kernkraft
AUS FREIBURG BERNWARD JANZING
Morgen wird der Bundestag voraussichtlich die Neufassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) verabschieden. Das Gesetz garantiert allen Arten von Ökostrom auskömmliche Einspeisevergütungen und hat seit seinem Inkrafttreten heute vor vier Jahren den erneuerbaren Energien in Deutschland einen weltweit einzigartigen Boom beschert. Die klassische Energiewirtschaft lässt unterdessen keine Gelegenheit ungenutzt, das Gesetz als Verschwendung von Subventionsgeldern zu kritisieren. Doch in Wahrheit erhalten die anderen Energien weitaus mehr Fördermittel.
Wirklich transparent ist das Ausmaß der Förderung unter den klassischen Energien nur bei der Steinkohle. Dort wird jeder Arbeitsplatz derzeit mit 82.000 Euro jährlich subventioniert, und auch in den nächsten Jahren wird dieser Betrag kaum zurückgehen. Die Zahl ergibt sich zweifelsfrei aus den jährlichen Subventionen und der Beschäftigtenzahl.
Das ist in der Atomwirtschaft anders. Dort sind die staatlichen Finanzhilfen viel weniger offensichtlich. Immens sind sie aber gleichwohl. So erhielt die Atomenergie über Jahrzehnte Forschungsmilliarden aus dem Bundeshaushalt, zu den Höchstzeiten Anfang der Achtzigerjahre waren es gar bis zu 1 Milliarde Euro jährlich. Forschungsausgaben für die Kernfusion sind dabei noch nicht einmal eingerechnet. Auch unter Rot-Grün werden für die Atomkraft mehr Forschungsgelder ausgeschüttet als für die erneuerbaren Energien.
Weitere Förderung durch den Staat genießt die Atomwirtschaft durch die Steuernachlässe für die so genannten Rückstellungen, die sie in ihren Bilanzen für den Rückbau der Anlagen bildet. Und eine besonders großzügige Zugabe durch den Staat ist die Haftungsbegrenzung: Die Betreiber müssen ihren Reaktor nur bis zu einem Limit von 2,5 Milliarden Euro versichern – für darüber hinausgehende Schäden sind sie nicht verantwortlich. Wäre eine volle Haftplichtversicherung vorgeschrieben, läge Atomstrom fernab jeglicher Marktpreise.
Schließlich müssen auch noch jene Staatsausgaben auf die Atomkraft angerechnet werden, die für Atommülltransporte inklusive deren Sicherung und für die Endlagerung anfallen. Betrachtet man die langen Zeiträume, über die man den Strahlenmüll verwahren muss, geraten die Kosten ins Astronomische.
Dagegen sind die Fördergelder für den Ökostrom, die über das EEG ausgeschüttet werden, gering – und vor allem transparent. 2,8 Milliarden Euro werden im laufenden Jahr voraussichtlich an Vergütungen für Ökokraftwerke gezahlt. Doch nicht die volle Summe muss als Förderung gewertet werden, sondern nur jener Anteil, der den Marktpreis des Stromes überschreitet. Diese Differenzkosten werden für 2004 bei etwa 1,8 Milliarden Euro liegen.
Stromverbraucher bezahlen diesen Betrag in Form eines Aufschlages von etwa 0,4 Cent je Kilowattstunde mit ihrer Stromrechnung. Das macht für den Dreipersonenhaushalt etwa 1 Euro pro Monat aus. Für die Kohle zahlen die Bürger etwa den zehnfachen Betrag: 40 Euro pro Kopf jährlich.
Außerdem verringert sich die Ökostromförderung. Mit größeren Marktanteilen fallen die Preise: So sind die Kosten für Solarstrom seit 1991 um 60 Prozent gesunken. Die Windkraft ist im gleichen Zeitraum um mehr als die Hälfte billiger geworden. Nach Erwartungen des Bundesverbandes Erneuerbare Energien wird diese Entwicklung rapide weitergehen. Strom aus Windkraft soll bereits im Jahr 2011 und Biomasse im Jahr 2014 marktfähig sein.
So zeigt sich, dass die Frage, mit welchen Beträgen gefördert wird, gar nicht die entscheidende ist. Die relevante Fragestellung ist vielmehr struktureller Art: Zu welchem Zweck fördert der Staat? Im einen Fall zögert er durch Subventionen das Ende einer sterbenden Energie hinaus. Im anderen erschließt er durch Förderprogramme neue Energiequellen, damit diese eines Tages marktfähig werden.