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Archiv-Artikel

Versicherung vergeigt

Über 50 Milliarden Euro haben die deutschen Lebensversicherungen 2002 an der Börse verspielt

HAMBURG taz ■ Die Sicherheiten der Lebensversicherer sind dahin. Allein im Jahr 2002 erlitten sie Anlageverluste von mindestens 51 Milliarden Euro, ermittelte der Brancheninformationsdienst Map-Report. Damit summierte sich das Minus in den drei vergangenen Jahren auf 103,8 Milliarden Euro.

„Kein Wunder, dass bei mehreren Unternehmen inzwischen die Frage nach der Überlebensfähigkeit gestellt wird“, klagt Map-Chef Poweleit. Die Sicherheitsverkäufer mussten in drei Jahren jedem siebten Euro im Kapitalbestand ade sagen. Das Finanzloch tat sich durch die massive Abwertung von Reserven und Einbußen beim Verkauf von Wertpapieren auf. Im Milliardenloch liegen auch 16,6 Milliarden so genannte „zurückgestellte Abschreibungen“. Eine im Herbst 2001 in das Handelsgesetzbuch eingefügte Vorschrift erlaubt es, Geschäfte mit Wertpapieren eine Zeit lang bilanziell zurückzustellen, ohne dass sie auf steuerliche Gewinne oder Verluste einen Einfluss haben.

Unglücklicherweise verschwinden die realen Verluste durch diesen Bilanztrick nicht. Unterm Strich schlagen sich die Kapitalverluste in sinkenden Renditen nieder. So sank die Nettorendite der Kapitalanlagen von über sechs Prozent (2001) auf 2,10 Prozent im Jahr 2002. Wer ist schuld an dem Desaster? Die Manager kaum, meint Chefredakteur Manfred Poweleit: „Für über achtzig Prozent der aufgetretenen Probleme können die Versicherer nichts.“ Börsenbaisse und immer niedrigere Zinsen und dazu noch eine desolate Lage auf dem Immobilienmarkt waren zu viel für viele Vorstände. Map-Primus Debeka schneidet mit einer Rendite von mehr als plus 6 Prozent kaum schlechter ab als in den goldenen Neunzigern, weil die frühere Beamtenversicherung während der Börseneuphorie ruhig blieb. Am Ende der Map-Liste steht dagegen der Hauptsponsor von Schalke 04, die Victoria, mit einem Minus von 4,27 Prozent.

Branchenbeobachter werfen den meistens Managern daher auch hausgemachte Fehler vor. Etwa wurde der langfristige Aufwärtstrend der Aktie seit 1982, im Gegensatz etwa zur britischen Konkurrenz, viel zu spät erkannt. Als die deutsche Assekuranz dann verspätet auf den Zug aufspringen wollte, tat sie dies zwischen 1995 und 2000 viel zu schnell – um danach zu spät wieder auszusteigen. Den Schaden haben die Kunden, denn die sinkenden Renditen schlagen sich auch in niedrigeren Erträgen für die Versicherten nieder. HERMANNUS PFEIFFER