: Gewaltvideos im Parteienstreit
Medienberichte brachten an die Öffentlichkeit, dass in einem Hamburger Haus der Jugend sexistische Musikvideos produziert wurden: Nun verhindert die SPD die Aufklärung der Vorfälle
VON MARCO CARINI
Einem Kartell des Schweigens gegenüber sieht sich Peter Herkenrath, jugendpolitischer Sprecher der CDU im Hamburger Bezirk Mitte: „Wir wurden über die Probleme, die es auf der Veddel gegeben hat, monatelang nicht informiert. Es scheint, als nehme die Jugendamtsleitung ihre Dienstaufsicht über die Häuser der Jugend nicht mehr ernst.“
Nicht informiert wurde die CDU über die Auseinandersetzung über im Jugendzentrum entstandene Musikvideos der Rap-Gruppe “Veddel Streetz“, die gewaltverherrlichende und frauenverachtende Botschaften transportieren – ein Streit, der zur Trennung von zwei Mitarbeitern führte. Erst Medienberichte hatten Anfang Dezember auf die Videos aufmerksam gemacht, in denen Vergewaltigungen verharmlost werden und darüber schwadroniert wird, Schädeldecken zu entfernen und Fleischermesser in Bäuche zu rammen.
Doch noch immer werde, so Herkenrath, „das Thema von der Verwaltung und der SPD heruntergespielt“. Kritik übt Herkenrath vor allem an Bezirksamtschef Markus Schreiber (SPD), der sich mit den Worten zitieren ließ, an viele Jugendliche, die auf der Veddel, einem Stadtteil mit hohem Migrantenanteil, leben, käme man „mit normaler Laubsägearbeit nicht heran“. Herkenrath: „Es ist bestürzend, dass Herr Schreiber einerseits so tut, als gäbe es keine pädagogische Alternative zwischen Laubsägearbeiten und Gewaltvideos, sich aber bis heute nicht von deren Inhalten distanziert hat.“ Ein Antrag der CDU, die Verwaltung möge einen Bericht über die Vorgänge im Haus der Jugend und die gezogenen Konsequenzen vorlegen, lehnten SPD und Grüne im Regionalausschuss Wilhelmsburg/Veddel vergangene Woche ab.
Die Verantwortung dafür sieht Herkenrath beim SPD-Abgeordneten Klaus Lübke, der für die Veddeler SPD im Ausschuss und auch in der Bezirksversammlung Mitte sitzt. „Lübke“, so befindet Herkenrath, „verhindert jede Aufklärung, kritisiert aber gleichzeitig blindwütig die Berichterstattung der Presse, die diese Vorgänge dankenswerterweise ans Licht gebracht hat“.
Lübke, der betont, er stehe nach wie vor „zu hundert Prozent“ hinter dem, was der „Leiter des Hauses der Jugend“ gemacht habe, hatte nach den Medienveröffentlichungen auf seinem Blog lange Schmähartikel verfasst und dabei vor allem die taz aufs Korn genommen. Sein Vorwurf, sie habe in der Manier eines „Schreibtischtäters“ durch die Kritik der Gewaltinhalte deren Verbreiter „zum Vorbild“ für andere Jugendliche gemacht, brachte selbst den Ex-Bundesvorstandssprecher der Grünen, Rainer Trampert, dazu, Lübke zu attackieren: „Sie verfluchen die Überbringer der schlechten Nachricht und betreiben damit die Beseitigung jeder Kritik“.
Der ehemalige Haus der Jugend-Mitarbeiter Faro, unter dessen Anleitung die Videos entstanden sind, verteidigt sich damit, dass es im Rap „gestattet“ sei, „seinen Gedanken freien Lauf zu lassen, ohne sich künstlerisch einschränken zu müssen“. Weder er noch seine Texte seien „frauenfeindlich, rassistisch oder gewaltverherrlichend“.
Ganz anders bewertet Sibylle Schreiber, Mitarbeiterin der Berliner Frauenorganisation Terre des Femmes die von ihr in Augenschein genommenen Videos der von Faro betreuten „Veddel Streetz“: „Frauen werden hier zur Ware und zum Gebrauchsgegenstand degradiert – nach Gebrauch sind sie dann schmutzig und nichts mehr wert.“ Die Expertin zum Thema „Gewalt im Namen der Ehre“ zieht eine Verbindung zum Fall der 16-jährigen Morsal O., die im Mai vergangenen Jahres durch Messerstiche ihres Bruders getötet wurde, der ihren westlichen Lebensstil missbilligte: „Das hier transportierte Frauenbild ist genau dasselbe, das bei dem Täter zugrunde lag.“ Deshalb ist es für Schreiber „nicht nachvollziehbar, dass das Bezirksamt solche Arbeit erst finanziert und sich bis heute nicht davon abgrenzt“.