: Regierung nimmt Kredit für Konjunktur auf
Wirtschaftseinbruch zwingt zu Nachtragshaushalt mit Rekordverschuldung von 30 bis 50 Milliarden Euro
BERLIN rtr/dpa ■ Die Bundesregierung steuert wegen der Rezession und weiterer geplanter Konjunkturhilfen im kommenden Jahr auf einen neuen Schuldenrekord zu. Ein Nachtragshaushalt für 2009 sei zwingend, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, am Mittwoch. Weil „mit Sicherheit der schärfte Konjunktureinbruch in der Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik“ bevorstehe, müsse von einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ausgegangen werden. Während die Neuverschuldung des Bundes im Normalfall nicht höher sein darf als die Investitionen, darf sich der Bund im Fall einer solchen Störung in unbegrenzter Höhe verschulden.
Über den Umfang der zusätzlich notwendigen Schuldenaufnahme machte Oppermann keine Angaben. Die Süddeutsche Zeitung berichtete unter Berufung auf Regierungskreise über eine geplante Neuverschuldung von mindestens 30 Milliarden Euro. Ein Sprecher von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) wies diese Zahl zurück; es gebe noch keine Berechnungen für 2009. Oppositionspolitiker wie Otto Fricke (FDP) erwarten bereits eine Spitzenmarke von 50 Milliarden Euro. Den bisherigen Schuldenrekord hatte 1996 Theo Waigel mit 40 Milliarden Euro aufgestellt.
Im Haushaltsentwurf für 2009 ist bisher eine Neuverschuldung von 18,5 Milliarden Euro eingeplant. Dabei ging die Regierung aber noch von einem Wachstum von 0,2 Prozent aus. Inzwischen rechnen Ökonomen jedoch mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung von 2 Prozent; intern soll Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) auch ein Minus von 3 Prozent für möglich gehalten haben.
Die schrumpfende Wirtschaftsleistung führt zu geringeren Steuereinnahmen und mehr Ausgaben für den Arbeitsmarkt und Sozialausgaben. Nach Berechnungen von Koalitionshaushältern, die der Nachrichtenagentur Reuters vorliegen, summieren sich bei einem Wachstumseinbruch von 2 Prozent die Steuerausfälle und Mehrausgaben durch steigende Arbeitslosigkeit auf allen staatlichen Ebenen bis 2012 auf rund 117 Milliarden Euro. Zusammen mit den bereits beschlossenen Konjunkturhilfen und den Ausfällen durch das Urteil zur Pendlerpauschale summiert sich die Belastung auf 200 Milliarden Euro.
Noch nicht enthalten ist darin ein zweites Konjunkturpaket, das für den Januar erwartet wird. Im Zentrum sollen Infrastrukturprojekte wie Schulsanierungen stehen. Die Größenordnung dürfte bei mindestens 20 Milliarden Euro liegen.
Der Linken-Vorsitzende Oskar Lafontaine hält dies aber für völlig unzureichend. Die deutschen Ausgaben für Bildung und Investitionen lägen unter dem europäischen Durchschnitt und müssten unabhängig von Konjunkturprogrammen deutlich erhöht werden.