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Archiv-Artikel

Kein schneller EU-Einsatz im Kongo

Die EU will zwar im Prinzip der UN-Bitte entsprechen, Eingreiftruppen in die umkämpfte kongolesische Stadt Bunia zu schicken. Logistische Probleme und politische Bedenken verzögern aber die Realisierung. Aktiveres US-Engagement kündigt sich an

aus Brüssel FRANÇOIS MISSER

Die EU ist im Prinzip zu einem Militäreinsatz in der Demokratischen Republik Kongo bereit, um einen Beitrag zur Stabilisierung der Stadt Bunia im Nordosten des Landes zu leisten. Die EU-Außenminister billigten am 19. Mai eine entsprechende Anfrage von UN-Generalsekretär Kofi Annan, und gestern sollte der sicherheitspolitische Ausschuss der EU darüber beraten. Aber es dürfte dauern, bis es tatsächlich zu einem Einsatz kommt. „Das Projekt ist noch nicht reif“, sagte ein belgischer Diplomat der taz.

„Die erwarteten technischen Schwierigkeiten bestätigen sich und werden deutlicher“, sagte der belgische Verteidigungsminister André Flahaut letzten Freitag nach einem Gespräch mit seiner französischen Amtskollegin Michèle Alliot-Marie. Zuvor war ein Erkundungsteam aus Frankreich, das seine Bereitschaft zur Führung der Truppe bekundet hat, aus Bunia zurückgekehrt. Der Flughafen von Bunia sei in sehr schlechtem Zustand, hatten sie berichtet. Nur drei große Flugzeuge täglich können auf ihm landen, aber es wären 250 Flugbewegungen nötig, um eine 5.000 Mann starke Truppe samt Material nach Bunia zu bringen.

Die Straßen der Region sind wegen der laufenden Regenzeit kaum passierbar. Und als logistische Basen stehen nur wenige Orte zur Verfügung. Die nächste kongolesische Stadt mit einem geeigneten Flughafen, Kisangani, wird von Kongos größter Rebellenbewegung RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie) kontrolliert, die einem französischen Einsatz skeptisch gegenübersteht. So zieht Frankreich jetzt Bangui in Betracht, Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik und traditionelle Basis französischer Militärinterventionen in Afrika. Dort sind seit dem Putsch des einstigen Armeechefs Francois Bozizé am 15. März schon 300 französische Soldaten stationiert.

Zu den militärischen Problemen Frankreichs kommen politische Bedenken aus Belgien und Deutschland. Nach Angaben aus Diplomatenkreisen machte die Bundesregierung gegenüber Solana geltend, Kongo sei weit von Europa entfernt, der Einsatz eine schwierige militärische Aufgabe und die EU habe zu dem Konflikt keine gemeinsame Linie. Blockieren würde Berlin einen Einsatz allerdings nicht. Belgiens Regierung darf laut Parlamentsbeschluss von 1994, als zehn belgische UN-Blauhelme in Ruanda zu Beginn des Völkermordes getötet wurden, keine Soldaten in den früheren belgischen Kolonien Zentralafrikas einsetzen.

Am Freitag billigte das belgische Kabinett lediglich die Entsendung einer Sanitätseinheit und die Bereitstellung von Transportflugzeugen. Als frühere Kolonialmacht weist Belgien außerdem darauf hin, dass die Lage in Bunia und der umliegenden Region Ituri komplexer ist, als es den Anschein hat. Es gibt nicht nur einen Konflikt zwischen Hema- und Lendu-Milizen. Es gibt ein halbes Dutzend unabhängig voneinander operierende Milizen, und nicht alle haben das seit 17. Mai geltende Waffenstillstandsabkommen für Bunia unterzeichnet.

Die größte Hema-Rebellenbewegung UPC (Union kongolesischer Patrioten), die Bunia derzeit kontrolliert und als einzige über Luftabwehrraketen verfügt, gehört zu den Verbündeten Ruandas im Kongo. Die sind gegen eine von Frankreich geführte Eingreiftruppe: Sie erinnern sich, wie Frankreich zum Ende des Völkermordes in Ruanda 1994 mit UN-Segen Truppen schickte, um Völkermordmilizen nach Zaire zu exfiltrieren. Eine Beteiligung Großbritanniens an der Kongo-Truppe könnte die ruandischen Bedenken lindern. Doch die britische Armee ist mit Irak beschäftigt.

Aus EU-Sicht wäre ein Kongo-Einsatz eine vorübergehende Aktion von vier Monaten bis zu einer Stärkung der bestehenden UN-Mission im Kongo (Monuc). Die EU verlangt außerdem ein Mandat des UN-Sicherheitsrats. Der muss ohnehin demnächst das Mandat der Monuc, das Ende Juni ausläuft, überarbeiten und verlängern. Ab 1. Juli übernimmt der frühere US-Botschafter im Kongo, William Swing, die Leitung der Monuc. Das dürfte ein aktiveres US-Engagement signalisieren.