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Archiv-Artikel

Von einem, der wirklich glaubte, was er sagte

Nach knapp zwei Jahren Regentschaft hat Perus Hoffnungsträger Toledo zu viele Versprechen unerfüllt gelassen

Er ist leiser geworden im Auftreten, sorgfältiger in der Wahl seiner Worte. Als er vor knapp zwei Jahren in der Inkafestung Machu Pichu seinen Amtseid als Präsident schwor, da war noch alles möglich: Den Armen versprach er Arbeit und Wohlstand, den Unternehmern niedrigere Steuern und Stabilität, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) die Bedienung der Schulden und einen ausgeglichenen Haushalt. Weniger Einnahmen, mehr Ausgaben. Ein Widerspruch? „Wir sind dazu verdammt Erfolg zu haben“, sagte er damals.

Und wahrscheinlich hat er tatsächlich an den eigenen Erfolg geglaubt und daran, dass es ihm gelingen würde, diese unterschiedlichen Interessen unter einen Hut zu bringen. Sein Selbstvertrauen war damals unerschütterlich. Kein Wunder, war es doch für ihn ein weiter Weg, bis er Präsident wurde. Geboren wurde Toledo in einem kleinen kleinen Dorf in den peruanischen Anden. Von seinen sechzehn Geschwistern sind sieben an Untererhährung gestorben. Als Kind hat er sich auf den Plätzen der Hafenstadt Chimbote im Norden des Landes als Schuhputzer verdungen. Mit 17 gewann er ein Stipendium für die USA mit einem Gedicht, das er geschrieben hatte. Er studierte in den USA Ökonomie, promovierte in Stanford und arbeitete bei der Weltbank. In Stanford lernte er auch seine heutige Frau kennen, die Belgierin Eliane Karp. Es war sein zäher Widerstand, der den autoritären Präsidenten Alberto Fujimori aus dem Amt und schließlich aus dem Land jagte.

Mit Toledo fing in Peru eine neue, demokratischere Ära an. Als Fujimori-Gegner wurde er verehrt, wenn er mit Inka-Stirnband Demonstrationen anführte. Er will geliebt werden, um jeden Preis. Doch er hat sich überschätzt. Peru verändert man nicht allein durch Hoffen und markige Sprüche.

Es war vor fast einem Jahr, als ihm seine Berater nahe legten, weniger öffentlich aufzutreten. Toledo hatte den Mund zu voll genommen, die Menschen sind ungeduldig. Sein wichtigstes Versprechen, die Armut im Land zu bekämpfen, hat er bislang nicht eingelöst. Rund die Hälfte der 27 Millionen Peruaner lebt noch immer in Armut, daran hat auch Toledo nicht viel ändern können – aber er hat gerne den Anschein erweckt, er könne es.

Heute wirkt Toledo mehr als Krisenmanager denn als Präsident und man wird den Eindruck nicht los, er wollte nur seine Amtszeit überstehen. Die Ausrufung des Notstandes weckt Erinnerungen an seinen Vorgänger und Feind Fujimori. Die Maßnahme richtet sich gegen Campesinos, Lehrer und Angestellte – allesamt Unterpriviligierte, die ihre Rechte einfordern. Kein Wunder, dass Toledos Popularität seither eingebrochen ist.

Dabei kann er durchaus Erfolge vorweisen. Die Wirtschaft wächst wieder; als er das Land übernahm, stand sie still. Jedoch fließt das meiste Geld in den Schuldendienst. Auch hat Toledo mit einer Verwaltungsreform Schritte zur Dezentralisierung durchgesetzt – die anschließenden Wahlen zu den regionalen und kommunalen Parlamenten allerdings konnte seine Partei nirgendwo gewinnen, im Unterschied zur oppositionellen sozialdemokratischen Apra-Partei seines Widersachers Alán García. Der hatte schon kurz vor Toledos Amtseinführung über ihn orakelt: „Ein guter Politaktivist muss noch lange kein guter Staatsmann sein.“ INGO MALCHER