Powell täuschte den UNO-Sicherheitsrat

Der US-Außenminister räumt ein, die Invasion im Irak mit mutmaßlich falschen Geheimdiensterkenntnissen gerechtfertigt zu haben. BND-Informationen über mobile Waffenlabors waren nicht zuverlässig, wurden aber bereitwillig geglaubt

AUS WASHINGTON MICHAEL STRECK

US-Außenminister Colin Powell hat seine vor einem Jahr vor dem UNO-Sicherheitsrat aufgestellten Behauptungen über irakische Massenvernichtungswaffen zurückgenommen. Nun habe sich herausgestellt, dass die Informationen über den Einsatz mobiler Labors zur Herstellung biologischer und chemischer Waffen nicht „zuverlässig“ waren, räumte er am Samstag ein.

Im Februar 2003 hatte der US-Chefdiplomat vor dem Sicherheitsrat noch von „stichhaltigen“ Beweisen für irakische Massenvernichtungswaffen gesprochen. Er verwies unter anderem auf Augenzeugenberichte „aus erster Hand“, wonach der Irak über mobile Labors zur Herstellung von Biowaffen verfüge. Dazu präsentierte er Luft- und Computerbilder angeblicher Labor-Lastwagen.

In seiner damals viel beachteten Rede, in der Powell sein ganzes persönliches Gewicht in die Waagschale warf, wollte er skeptische Mitglieder des höchsten UNO-Gremiums wie Deutschland, Frankreich und Russland davon überzeugen, dass eine Militärinvasion im Irak gerechtfertigt sei. „Zutiefst Besorgnis erregend“ seien die Beweise, die US-Regierung und Geheimdienste im Lauf der vergangenen Jahre zusammengetragen hätten. „Es sind keine Behauptungen“, betonte Powell, sondern „Tatsachen und Schlussfolgerungen, die auf stichhaltigen Geheimdiensterkenntnissen beruhen“.

Um zu demonstrieren, dass er die volle Rückendeckung der eigenen Geheimdienste bei der Präsentation seiner Rede hatte, bat Powell CIA-Chef George Tenet, während der UNO-Sicherheitsratssitzung direkt hinter ihm zu sitzen. Am Samstag distanzierte er sich jedoch: „Ich bin nicht der Geheimdienstapparat.“

Powell fordert nun eine Untersuchung, wie es zu der Panne kommen konnte. Die Existenz dieser Labors, mit denen Irak die internationalen Kontrollen hätte umgehen können, sei das „dramatischste“ Element seiner Darstellung gewesen, sagte er. Daher habe er sich vergewissert, dass diese Informationen durch mehrere Quellen abgesichert gewesen seien.

Im Januar hatte Powell erstmals öffentlich eingeräumt, dass der Irak möglicherweise keine Massenvernichtungswaffen besessen hat. Vizepräsident Richard Cheney sprach zu jenem Zeitpunkt weiter von „schlüssigen“ Beweisen, dass die Lkws zur Produktion von Massenvernichtungswaffen dienten. Später sagte Powell der Washington Post, er wisse nicht, ob er vor einem Jahr den Einmarsch empfohlen hätte, wenn klar gewesen wäre, dass der damalige irakische Diktator Saddam Hussein keine verbotenen Waffen besitze.

In der Debatte um das Versagen der Geheimdienste gerät nun auch die Bundesregierung in die Schusslinie. Grundlage für Powells falsche Aussagen vor dem UNO-Sicherheitsrat sollen nach Angaben der Los Angeles Times auch fragwürdige Erkenntnisse des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) gewesen sein. Diesem schiebt die CIA nun den schwarzen Peter für den Fehler im Falle der angeblichen Biowaffenlabore zu. Dessen Quelle, ein irakischer Informant mit Decknamen „Curveball“, der 1998 nach Deutschland geflüchtet war, soll die Hinweise über die Labore dem BND gesteckt haben. Und dieser, behauptet nun ein ungenannter US-Geheimdienstler, hätte die Amerikaner erst nach Powells Rede über seine Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Irakers informiert. Nach Informationen der Wochenzeitung Die Zeit sollen deutsche Nachrichtendienstler ihre US-Kollegen jedoch rechtzeitig, lange vor Powells Rede im Februar 2003, über Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Exilirakers gewarnt haben.