: „Viel mehr war nicht drin“
Die Stammwählerschaft nicht erreicht, die Beiräte für Perspektivlosigkeit abgestraft, die Basis müde von der großen Koalition: Frank Schmitz, stellvertretender Bremer SPD-Chef, zieht Bilanz: „Ich hätte mir gewünscht, dass wir einen inhaltlichen Wahlkampf führen“
taz ■ Viel Beifall bekam Frank Schmitz nicht von seinen Genossen, als er der SPD Wasser in ihren Wahlsieg-Wein goss. Im taz-Interview erklärt der Vize-Vorsitzende des SPD-Unterbezirks Bremen-Stadt, warum der SPD-Sieg so strahlend nicht ist.
taz: Warum ist Ihrer Meinung nach der SPD-Triumph nicht ganz der, als den ihn Ihre Genossen gefeiert haben?Frank Schmitz: Wir müssen feststellen, dass in allen Großwohnanlagen die Schill-Partei über sechs Prozent kommt. Das ist ein alarmierendes Zeichen. Uns ist es nicht gelungen, viele Menschen überhaupt für unsere Politik zu interessieren. Das sind unsere Wähler, da müssen wir uns nichts vormachen.
Das wollte in den vergangenen Tagen in Ihrer Partei aber niemand wirklich hören, oder?
Ich bin vielleicht der einzige, der auf so einem Parteitag den Mut hat, die Siegesstimmung ein bisschen zu durchkreuzen. Natürlich haben sich alle gefreut – letztendlich haben wir mit einem viel schlechteren Ergebnis gerechnet. Aber ich finde das Ergebnis nicht überragend toll, das will ich ganz offen sagen. Wir haben das Ergebnis vom letzten Mal in absoluten Stimmen halten können, aber wir haben unser Potenzial nicht ausgeschöpft. Und wir hatten eine Verschiebung in unserer Wählerstruktur, die mich sehr nachdenklich macht.
Soll heißen: Scherf hat bei Ihrer Stammwählerschaft doch nicht so gezogen?
Ich glaube, dass es den Leuten, die in ihrem Hochhaus sitzen und überlegen, wie sie die nächste Miete bezahlen, ziemlich egal ist, ob der Bremer Bürgermeister Henning Scherf oder Hartmut Perschau heißt. Diese Leute bewegen andere Probleme. Wir haben sie mit dieser Art von Wahlkampf nicht erreichen können.
Glauben Sie denn, dass die SPD diese Menschen mit ihren Inhalten, die im Wahlkampf ja kein Thema waren, erreichen könnte?
Solange die Leute bereit sind, mit uns zu streiten, solange hat man auch eine Chance, mit Argumenten zu überzeugen. Wenn man aber dieser Auseinandersetzung von Anfang an aus dem Weg geht, dann muss man sich nicht wundern, dass sich viele Leute von uns nicht mehr angesprochen fühlen.
Ist das Kritik am Wahlkampf?
Ich hätte mir schon gewünscht, dass wir an der ein oder anderen Stelle auch einen inhaltlichen Wahlkampf führen. Natürlich ist Henning Scherf unsere Zugmaschine – ohne ihn hätten wir diese Wahlen sehr wahrscheinlich deutlich verloren. Dennoch muss man den Menschen auch sagen, wohin es gehen wird. Wenn man das schon nicht auf die Bundespolitik münzt, sollte man sie doch ehrlich darauf vorbereiten, was weitere vier Jahre Sanierungskurs in Bremen bedeuten.
Bei den Beiratswahlen hat die SPD verloren. Wie ist das zu deuten?
Die Beiräte haben eine undankbare Aufgabe: Sie müssen das, was der Senat entscheidet, vor Ort verkaufen. Wenn im Sozialbereich gespart wird, sind es die Beiräte vor Ort, die das ausbaden und nach Lösungen suchen müssen. Insofern geben die Ergebnisse in den Beiräten eine ehrliche Auskunft über den Wasserstand der SPD in Bremen.
Hat sich also im Wahlkampf auf der Beiratsebene die inhaltliche Auseinandersetzung abgespielt, die auf der Scherf-Ebene fehlte?
Sicherlich hat es da mehr Inhalte gegeben, aber auch nicht mehr Perspektiven. Wie sollten die Beiräte in ihren kleinen Bereichen Perspektiven geben, die im Wahlkampf gar nicht vorkamen?
Haben Sie für Ihre Äußerungen auf den Parteitagen Schelte bekommen?
Nö, eher im Gegenteil. Ein paar Großkopferte haben nicht begeistert geguckt. Aber einige haben schon gesagt: Wir müssen eine ausführliche Wahlauswertung vornehmen. Es kommt noch eins hinzu: Die Kampagnenfähigkeit der Partei ist in diesem Wahlkampf einmal mehr an ihre Grenzen gestoßen. Viel mehr war nicht drin. Auch darüber müssen wir nachdenken: Wie kann es uns gelingen, wieder mehr Menschen für aktive Arbeit in der SPD zu interessieren. Auch das hat etwas mit der großen Koalition zu tun, dass alle ein bisschen müde geworden sind.
Heißt das, Sie hatten ein Problem, Ihre Basis für den Wahlkampf zu mobilisieren?
Wir haben mit dem Wahlkampf erst sehr spät angefangen. Die Mitglieder vor Ort aber brauchen eine Anlaufphase, sie müssen erstmal merken, dass Wahlkampf ist. Da spielen zum Beispiel Plakate eine Rolle. Wenn die hängen, weiß man, jetzt geht’s los. Da wir aber spät begonnen haben, hatten wir schon in der ersten Zeit erhebliche Schwierigkeiten mit der Mobilisierung.
Was also von der Parteiführung als Strategie – nämlich persönliche Ansprache statt massenhaft Plakate – ausgegeben wurde, war in Wahrheit eine Mangelerscheinung? Ihnen fehlten die Wahlkampfhelfer?
Das eine bedingt das andere. Plakate machen nur Sinn, wenn sie das Stadtbild nicht verschandeln, weil sie runterhängen. Sie müssen gepflegt werden. Neben dem finanziellen Argument steckte dahinter sicher auch die Frage nach den personellen Kräften. Wir machen das schließlich komplett ehrenamtlich.
Interview: Susanne Gieffers