: Der kleine christliche Unterschied
In der Gethsemane-Kirche feiern Katholiken und Protestanten ein verbotenes gemeinsames Abendmahl. In den Messehallen begeistert der Ökumene-Minister des Papstes die Massen. Die Differenzen zwischen den Positionen sind erstaunlich gering
von BERNHARD PÖTTER
„Es gibt Situationen, wo man nicht warten kann, bis eine gemeinsame Lösung gefunden ist.“
Am Donnerstagabend um 19.40 Uhr hat der Kirchentag seinen angekündigten Skandal. Gotthold Hasenhüttl, katholischer Priester aus Saarbrücken, teilt die Hostien aus – in der evangelischen Gehtsemane-Kirche und nach ausdrücklicher Einladung auch der Protestanten. Das ist vom Vatikan verboten. Hasenhüttl erhält minutenlangen Beifall von den überwiegend mittelalten und ernsthaften Kirchenbesuchern. Die Kirche ist zum Bersten gefüllt.
„Die Spaltung ist ein Skandal. Damit dürfen wir uns nicht abfinden.“
„Ich rechne nicht mit disziplinarischen Konsequenzen“, sagt Hasenhüttl nach dem Gottesdienst. Die Messe habe dem Kirchenrecht entsprochen. Er zitiert Umfragen, nach denen 88 Prozent der Katholiken das gemeinsame Abendmahl fordern. Und die Veranstalter der Oppositionsgruppen „Wir sind Kirche“ und „Kirche von unten“ weisen darauf hin, dass bei den Gottesdiensten auf dem Kirchentag jeden Tag Hunderte von Christen bei der „falschen“ Konfession zum Abendmahl gingen. Um die „gegenseitige Gastfreundschaft“ zu verstärken, haben sie ein „Mahl der Solidarität“ mit Obdachlosen und einen evangelischen Gottesdienst mit Abendmahl für Katholiken heute Abend in Gethsemane geplant.
„Es gibt zwei Orte für Ökumene: Die Kirche und das Essen. Denn beim gemeinsamen Essen löst man viele Probleme.“
Konsequenzen durch die Amtskirche gibt es vorerst nicht. Man werde am Wochenende über den Fall beraten, heißt es aus dem Erzbistum Berlin. Rechtlich möglich wären Suspendierung oder Kirchenausschluss von Hasenhüttl. Aber zuerst wollen die Bischöfe prüfen, was genau vorgefallen ist. Und auf keinen Fall entscheiden, während das Interesse für den Fall so groß ist. Die Meldung, im Bischöflichen Ordinariat in Berlin werde bereits die Folterkammer bereit gemacht, erweist sich als Scherz.
„Lasst uns die Konkurrenz zwischen Christen endlich beenden. Wir sind nicht Konkurrenten, sondern Brüder und Schwestern.“
Am Tag danach spricht Kardinal Walter Kasper in Halle 9.1 des Messegeländes über die Ökumene. Er ist Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, und damit der Ökumene-Minister des Papstes. Die Halle ist vollgepackt mit mittelalten und ernsthaften Kirchentagsbesuchern.
„Das Motto lautet: Tun, was uns eint!“
Kasper erhält stehende Ovationen für seine Rede. „Ich wäre froh, wenn die Basis in der Ökumene schon mal so weit wäre wie der Papst“, verteidigt er seinen Chef. Noch seien die Konfessionen zu unterschiedlich, um das Abendmahl gemeinsam zu feiern. Er sagt aber auch: „Was uns eint, ist mehr als was uns trennt.“
Damit meint er Katholiken und Protestanten. Aber auch Kasper und Hasenhüttl.
(Alle Kursiv-Zitate aus dem Vortrag von Kardinal Kasper: „Konfessionelle Identität – Reichtum und Herausforderung“)