: Ziviler Ungehorsam im Baskenland
betr.: „Spaniens Linke siegt nur ein bisschen“, taz vom 27. 5. 03
Das Verbot der zweitstärksten politischen Formation im Baskenland durch ein speziell zu diesem Zweck von der spanischen PP und PSOE in Rekordzeit durchgepowerten neuen Parteiengesetzes verdient keinen weiteren Kommentar in der taz? Und AuB ist nicht mehr als die Nachfolgeorganisation und ETA-nah?
Zur Information: Als klar wurde, dass Batasuna in einem unglaublichen Zusammenspiel von Legislative und Judikative illegalisiert werden würde, bildeten sich in sämtlichen Orten des Baskenlandes unabhängige linksnationalistische Wahlplattformen mit lokalen Wahlprogrammen, die in der Regel auch die Forderung nach Unabhängigkeit des Baskenlandes einschlossen. Neben den Kommunalwahlen wurden gleichzeitig die übergeordneten Provinzverwaltungen neu gewählt. Um hier kandidieren zu können, formierte sich die Wahlplattform AuB mit einem ebenfalls linksnationalistischen Wahlprogramm. ETA bzw. der bewaffnete Kampf wurde nur insofern erwähnt, als er als gegenwärtig unproduktiv für eine Lösung des politischen Problems zwischen Baskenland und spanischem Staat bezeichnet wurde. Ebenso wie die Repressionslinie der spanischen Regierung.
Zur Teilnahme an der Wahl mussten sämtliche Wahlplattformen eine bestimmte Anzahl von notariell beglaubigten Unterschriften vorweisen. Die Listen wurden in kürzester Zeit von mehr als 90.000 Personen vor dem Notar mit Namen und Anschrift unterschrieben. Mit einem Federstrich verbot dann die oberste spanische Justiz AuB und 255 lokale Wahlplattformen mit der einzigen Begründung, dass unter den KandidatInnen Personen seien, die Batasuna-Mitglieder waren oder politisch mit ihnen sympathisieren würden. Sämtliche Plattformen wurden folglich vom Medienwahlrummel ausgeschlossen, Wahlveranstaltungen richterlich (von spanischer Seite) verboten und polizeilich (von baskischer Seite) verhindert. Auf Anordnung des Richters Garzón wurden selbst Druckereien nach AuB-Wahlzetteln durchsucht, da die Plattformen angekündigt hatten, dass sie sich mit selbst gedruckten Wahlzetteln an der Wahl beteiligen wollten.
Am Abend nach der Wahl waren in den Wahllokalen insgesamt 3.500 BeobachterInnen bei der öffentlichen Auszählung anwesend, um die Stimmen für die (illegalen) Plattformen und AuB zu zählen. Eine internationale Kommission hat das Resultat, das sie den Menschenrechtskommissionen des Europarates und der UNO vorlegen werden, am 27. 5. veröffentlicht (www.gara.net). Insgesamt 168.000 Personen haben im Baskenland den Weg des zivilen Ungehorsams gewählt und für AuB und die verschiedenen lokalen Wahlplattformen gestimmt. In mehreren kleineren Orten gibt es mehr „ungültige“ Stimmen als Stimmen für die jeweilige „gültige“ neue Kommunalregierung. Nach Berechnungen der Kommission würden den linksnationalistischen Gruppen insgesamt 579 Gemeinderäte zustehen. Trotz aller Behinderungen beim Wahlkampf wäre die baskische Linke damit weiter zweitstärkste Kraft – vor den spanischen (oder verfassungstreuen) Kräften von PP und PSOE. HARRY STÜRMER, Donostia, Spanien