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bono und andere verbrecher von RALF SOTSCHECK

Es war ein langer Kampf um die Tabellenführung, aber nun haben es die Iren fast geschafft. Noch in diesem Sommer werden sie die Finnen vom ersten Platz verdrängen und das teuerste Land in der Eurozone werden – eine erstaunliche Leistung, dümpelte man vor zehn Jahren doch noch am Tabellenende herum. Der Spitzenplatz ist den Iren auf unabsehbare Zeit sicher, denn durch eine geschickte Inflationspolitik wird sich der Abstand auf die Skandinavier stetig vergrößern, von den chancenlosen Billigländern wie Portugal, Spanien und Griechenland ganz zu schweigen. Die Inflation liegt bei satten 4,8 Prozent, das ist mehr als das Doppelte des lächerlichen EU-Durchschnitts.

Das ist dem beherzten Einsatz der Regierung in Dublin zu verdanken. Die Kosten für die staatlichen Dienstleistungen stiegen allein im vergangenen Jahr um 15 Prozent und trugen entscheidend zur beeindruckenden Inflationsrate bei. Das wird auch in Zukunft so bleiben, denn die fetten Jahre des Wirtschaftsbooms sind vorbei, das Staatssäckel ist leer, und die Regierung muss immer neue Wege finden, das Volk zu schröpfen.

Allerdings nicht das ganze Volk. Für die Reichen gibt es so viele Steuerermäßigungen, dass sie jedes Jahr eine Milliarde Abgaben einsparen. Ein Fünftel der 400 reichsten Personen Irlands zahlt lediglich 15 Prozent Steuern. Bildende Künstler, Musiker, Komponisten und Schriftsteller zahlen seit 1969 überhaupt keine Steuern. Eigentlich wäre an dieser Kulturförderung nichts auszusetzen, die Einnahmen sind für den Staat ohnehin unerheblich, weil mehr als 90 Prozent der Nutznießer arme Schlucker sind. Aber das Steuergesetz gilt auch für die Großverdiener. 27 der bestverdienenden Künstler haben voriges Jahr 61 Millionen Euro eingenommen, also pro Nase im Durchschnitt 2,3 Millionen, darunter Bono von der irischen Kappelle U2, die virtuelle Musikerin Enya, die Seichtsängergruppe Cranberries und der klotzköpfige Tänzer Michael Flatley, vor dessen Riverdance-Spektakel es kein Entkommen gibt, weil die Musik ständig in Supermärkten gespielt und die genervte Kundschaft in den Alkohol getrieben wird.

Keiner von ihnen zahlt einen Pfennig Steuern. Bono hat sogar 20 Millionen Euro steuerfrei kassiert. Dafür spielt er sich zum Wohltäter der Menschheit auf. Schuldenerlass für Drittweltländer ist an und für sich eine lobenswerte Forderung, doch wenn es nur Bonos auf dieser Welt gäbe, Gott bewahre, dann wären nicht nur die Länder der Dritten Welt bankrott.

Manche Politiker fordern nun, eine Obergrenze für steuerfreies Einkommen festzusetzen. Das ist aber gar nicht nötig. Man muss keine Gesetze ändern, um diese Leute zur Kasse bitten zu können. Es reicht, bestehende Gesetze anzuwenden. So darf der Staat Bankkonten und Immobilien von Drogenhändlern beschlagnahmen, ein Serienmörder darf keinen Profit aus Zeitschriftenbeiträgen oder Büchern über seine kriminelle Karriere schlagen. Warum sollten also Flatley, Bono und Co. für ihre Verbrechen am guten Geschmack ungeschoren davonkommen?

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