: Leere bleibt leer
Der FCR Duisburg hält gegen Favorit FFC Frankfurt prima mit – und verliert durch ein Eigentor in vorletzter Minute
BERLIN taz ■ Was blieb, war Leere. Leere in den Blicken. Leere in den Köpfen. Leere in den Herzen. Es war eine dieser schwermütigen, traurigen Leeren; eine, die weh tut, so unendlich weh – und mit der man am liebsten alleine ist, damit niemand den Schmerz erkennt, der aus einem herauszuschreien droht. Die zwei Frauen und ihr männlicher Begleiter durften nicht alleine sein, das Protokoll sah das nicht vor. Es forderte, dass Martina Voss, Inka Grings und Jürgen Krust hinaufstiegen aufs Podium, um von dort aus zu erklären, warum der FCR Duisburg, ihre Mannschaft, gerade das DFB-Pokalfinale der Frauen verloren hatte, mit 0:1, gegen den 1. FFC Frankfurt, in der 89. Minute. Eine ganze Weile saßen der Trainer und seine beiden prominentesten Kickerinnen da oben – und schwiegen, dann erhob Krust, der Coach, das Wort. „Ich bin total fassungslos, dass wir das Spiel so unglücklich verloren haben. Lieber verliere ich 3:0 als so“, sagte er, und für einen Moment sah es so aus, als würde sich die Leere bei allen dreien gleich mit Tränen füllen.
Sie tat es nicht. Die Leere blieb leer. Wenigsten diesen letzten Kampf gewannen die Duisburgerinnen, wenn sie schon das Spiel verloren hatten auf wirklich grausame Art und Weise. Nicht nur, dass sie dem haushohen Favoriten aus Frankfurt ebenbürtig waren über die 90 Minuten, in der ersten Halbzeit sogar überlegen. Vor allem Shelley Thompson startete da immer wieder durch in Richtung gegnerisches Gehäuse, trickreich und mit einer Vehemenz, dass ihre Gegenspielerinnen oftmals nur noch ihren flatternden Pferdeschwanz sahen – von hinten. „In der Halbzeitpause war ich selbst überrascht“, stellte Krust fest. Weil: „Wir haben fast alles richtig gemacht. Ich konnte noch nicht mal kritisieren.“ Auch in Durchgang zwei hielt dieses Gefühl lange Zeit an, selbst wenn die Dominanz seiner Mannschaft etwas verloren ging. Dennoch sagte Krust: „Keine meiner Spielerinnen hat heute enttäuscht. Enttäuscht hat mich nur das Ergebnis.“
Neben Krust saß Martina Voss, und sie sah noch enttäuschter aus als ihr Trainer, was seinen guten Grund hatte: 125 Länderspiele für Deutschland hat Voss gemacht, ein Vielfaches an Partien für Duisburg. Am Ende der Saison wird die 35-Jährige ihre Fußballstiefel an den Nagel hängen, wie gerne hätte sie den DFB-Pokal daneben gestellt, als Schlusspunkt ihrer glanzvollen Karriere. Und dann kam diese 89. Minute und der Ball hineingeflogen in den Strafraum der Duisburgerinnen. Voss stieg hoch, um zur Ecke zu klären, doch es ging schief. Der Ball landete nicht im Toraus, sondern im Tor. „Es war mein erstes Eigentor“, sagte Martina Voss; noch zwei Bundesligapartien und ein Abschiedsspiel, und sie hätte ihre Karriere ohne Eigentor beenden können. So aber ist es ausgerechnet am Samstag in Berlin passiert. „Das tut sehr, sehr weh“, sagte die 35-Jährige, fand aber auch, dass es „vielleicht besser“ sei, dass ihr das Missgeschick passiert ist und „nicht einer der jungen Spielerinnen“. Denn wie leicht kann so ein Eigentor eine aufstrebende Karriere knicken; einer auslaufenden hingegen kann es nichts mehr anhaben. Trauer ruft es natürlich trotzdem hervor.
In Duisburg haben sie eine ganze Menge aufstrebender Karrieren angesammelt; allein in dieser Saison gaben fünf U17-Spielerinnen ihr Bundesligadebüt für den FCR. „Wir investieren in die Zukunft, dann kommt der Erfolg von ganz alleine“, sagt Ferdi Seidelt, der Manager. Wobei: Ein paar erfahrene Fachkräfte haben sie schon im Team, Inka Grings zum Beispiel, die Nationalstürmerin, oder Linda Bresonik, die Spielmacherin. Nächste Saison hinzukommen soll außerdem Silke Rottenberg vom FFC Brauweiler, die Seidelt ganz nebenbei für „die beste Torhüterin der Welt hält“.
In Frankfurt wird man solche Umtriebigkeit mit Interesse verfolgen – und mit Argusaugen. Schließlich geht es am Main um die eigene Spitzenposition. Die scheint in dieser Saison zumindest etwas weniger souverän ausgestattet zu sein. Im Uefa-Cup ist der Titelverteidiger im Halbfinale gescheitert, auch die nationale Meisterschaft ist noch keineswegs in trockenen Tüchern. Da gewinnt der Pokalsieg von alleine an Bedeutung, auch wenn er beim FFC in den letzten Jahren eher zur Gewohnheit geworden ist. Zum fünften Mal in Folge durften die Frankfurterinnen nun schon den Cup auf ihrer Ehrenrunde im Berliner Olympiastadion spazieren tragen, keine Mannschaft zuvor hat dieses Kunststück fertig gebracht.
Siegfried Dietrich, dem großen Macher des FFC, kommt die historische Tat gerade recht. „Prima vermarkten“ lasse sich dieser Triumph, sprach er noch im Bauch der Großbaustelle, was nicht ganz ohne Belang ist beim ehrgeizigen Vorhaben, die Pole-position im deutschen Frauen-Fußball zu sichern, oder, noch besser, sie gar auszubauen. Um das zu bewerkstelligen, will der Manager künftig auch auf Ausstiegsklauseln in den Verträgen seiner Spielerinnen verzichten – und somit den Abwanderungsstrom seiner Besten in die US-Profiliga schon während der Saison vermeiden. Birgit Prinz und Steffi Jones haben die Frankfurterinnen auf diese Art und Weise verloren, nun, gleich nach dem Pokalfinale, machen auch Sandra Minnert und Jennifer Meier die Biege. „Wir sind nun einmal der Spitzenverein in Deutschland und damit der Exportschlager Nummer eins“, sagt Dietrich. Er hat nicht vor, diese Position abzugeben. FRANK KETTERER