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Archiv-Artikel

Ein Biss auf rot-grünen Granit

Eine Massendemo kann die Regierung nicht erschüttern: SPD bleibt knallhart auf „Reformkurs“. Grüne prüfen immerhin einzelne Forderungen der Protestbewegung

BERLIN ap/afp ■ Ungeachtet der Massenproteste gegen Sozialabbau will Rot-Grün am Reformkurs festhalten. SPD-Vizechefin Ute Vogt sagte, wenn man Reformen in Gang setzen wolle, könne man den Menschen nicht immer nach dem Mund reden. „Der Unmut war nicht neu“. Sie und SPD-Chef Franz Müntefering werfen den Initiatoren des Protests vor, destruktiv zu sein. Müntefering verlangte eigene Vorschläge – die die Reformkritiker allerdings längst vorlegten.

So fordern Ver.di und DGB, die Neuverschuldung des Staates zugunsten öffentlicher Investitionen zu erhöhen. Von DGB bis Attac wird die Neuauflage der Vermögensteuer verlangt sowie eine Mindestbesteuerung von Unternehmen und ein existenzsicherndes Mindesteinkommen. Mit einer Bürgerversicherung, in die alle einzahlen und bei der auch Zinserlöse oder Aktiengewinne berücksichtigt werden, sollen die Krankenkassen reformiert werden.

Auch Grünen-Chef Reinhard Bütikofer will den Reformkurs nicht über Bord werfen. Seine Partei unterstütze aber einzelne Forderungen der Demonstranten wie Einführung einer Bürgerversicherung, sagte er gestern. Zur Flankierung der verschärften Zumutbarkeitsregeln für Langzeitarbeitslose plädierte er für das Festlegen eines Mindestlohns. Richtig sei auch, stärkere Schultern stärker zu belasten wie durch Reform der Erbschaft- und Vermögensteuer.

Der haushaltspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Günter Rexrodt, sagte, gerade diese Bundesregierung wolle doch die kleinen Leute nicht ärgern. Zu ihrem Reformkurs gebe es keine Alternative. Rexrodt meinte, Rentner hätten heute ein Einkommen, das im Schnitt „weit über dem Einkommen der vergangenen Jahrzehnte liegt“.

DGB-Chef Michael Sommer meinte, der Protest komme „aus der Mitte der Gesellschaft“. Im Einblick wies er den Vorwurf zurück, die Gewerkschaften hätten keine Alternativen zu bieten. Der Präsident des Sozialverbands VdK, Walter Hirrlinger, sagte der Chemnitzer Freien Presse, die Bundesregierung müsse die Forderung nach Änderung von einer halben Million Menschen ernst nehmen. Sollte sie die Warnungen in den Wind schlagen, brauche sie sich über noch stärkere Proteste nicht zu wundern.