: Ein Kabinett ohne Höhn und Vesper
Gegen den Protest vieler Genossen werkeln führende Sozialdemokraten in NRW weiter am Koalitionswechsel. Schon macht eine Kabinettsliste die Runde, in der die zwei grünen Minister ersetzt sind. Die FDP könnte sich sogar auf drei Ressorts freuen
BOCHUM taz ■ In Nordrhein-Westfalen deutet immer mehr auf eine sozialliberale Koalition hin. Nach taz-Informationen kursiert im Umfeld von SPD-Ministerpräsident Peer Steinbrück bereits eine Kabinettsliste für die Zeit nach Rot-Grün. Die beiden grünen Ministerien sollen demnach von Sozialdemokraten geleitet werden. Für das von Bärbel Höhn geführte Umweltministerium ist die Wissenschaftsministerin Hannelore Kraft im Gespräch, SPD-Landesvize Karsten Rudolph soll Bauminister Michael Vesper ersetzen. Die Liberalen erhalten die Ressorts für Inneres, Justiz und Wissenschaft.
Die Landesregierung ließ die taz-Recherchen gestern dementieren. Die Kabinettsliste sei „völliger Quatsch“, sagte ein Sprecher. Doch die Gerüchte verstummen nicht: Der Regierungschef sei nach einem halben Jahr „mehr als genervt“ von der rot-grünen Zusammenarbeit, so ein SPD-Parteipräside zur taz. Der Ministerpräsident sehe keine Zukunft für die Koalition. Im Vergleich zu den unionsregierten Ländern Bayern und Baden-Württemberg falle NRW immer weiter zurück. So betrage der Pro-Kopf-Rückstand beim Bruttosozialprodukt mindestens 5.000 Euro. Fazit des Steinbrück-Lagers: „Das können wir uns einfach nicht mehr leisten.“
Die Landespartei dagegen leistet noch Widerstand: Laut SPD-Landeschef Harald Schartau soll die Handlungsfähigkeit der Koalition in mehrwöchigen Gesprächen überprüft werden. Dabei stünden die Chancen für Rot-Grün mittlerweile „besser als 50 zu 50“. Schartaus Bedenken: In der Partei gibt es keine Mehrheit für eine Koalition mit der als neoliberal verschrienen FDP. So unterstützt Karl Schultheis, Sprecher der SPD-Mittelrhein, in einer gemeinsamen Erklärung mit dem grünen Vizefraktionschef im Landtag, Reiner Priggen, eine Fortsetzung der rot-grünen Zusammenarbeit. Auch Michael Groschek, NRW-Generalsekretär der SPD, versucht noch, Steinbrück zu bremsen. Über das Ende von Rot-Grün könne nur ein Landesparteitag entscheiden: „Koalitionsfragen sind Parteifragen, da gibt es kein Vertun.“
Auch die Grünen setzen auf den SPD-Landesparteitag, der Mitte Juni in Bochum stattfinden wird. „Wir erwarten dann ein klares Bekenntnis zum rot-grünen Koalitionsvertrag“, fordert der grüne Landesvorsitzende Frithjof Schmidt. Steinbrück dagegen will den kleinen Partner in die Enge treiben. Noch vor der Sommerpause sollen die Grünen dem Metrorapidprojekt zustimmen, ohne dass eine belastbare Finanzierung auf dem Tisch liegt. „Wer von uns einen Blankoscheck für den Metrorapid haben will, versucht, die Koalition aufzukündigen“, sagt Priggen. Der Streit um den Metrorapid begleitet das Landesbündnis seit den Tagen von Wolfgang Clement, Steinbrücks Vorgänger. Aus dem Parteivorstand ist zu hören, Steinbrücks Strategie trage die Handschrift der „alten Clement-Truppe“. Man habe den Eindruck, dahinter stecke der frühere Chef der Staatskanzlei, Georg Adamowitsch (SPD), sagt ein SPD-Präside der taz. Adamowitsch gilt als Clements Strippenzieher und folgte ihm als Staatssekretär ins Berliner Wirtschaftsministerium. DAVID SCHRAVENCHRISTOPH SCHURIANANDREAS WYPUTTA