: Reformen ja, aber so nicht!
betr.: „Der Protest gegen den Sozialabbau bleibt unter Niveau. Populismus ist Mist“, Kommentar von Ralph Bollmann, taz vom 5. 4. 04
Bollmann spricht von Populismus und von einem mangelnden Niveau der Proteste. Wenn ich das richtig verstanden habe, meint er damit die Äußerungen des DGB-Chefs im Vergleich zu denen des SPD-Chefs. Ähnliches habe ich gestern sinngemäß von Herrn Sinn (Ifo) bei Christiansen gehört: „Ob nun eine halbe Million oder auch eine ganze, was soll’s, damit werden wir die Probleme nicht lösen.“
Vielleicht sollten sich Herr Bollmann, Herr Sinn und andere einmal vor Augen führen, worum es wirklich geht. Immerhin, zirka eine halbe Million Menschen sind nun wahrlich kein Pappenstil. Diese halbe Million und die vielen Millionen nicht unmittelbar Protestierende, aber auch Protestler, wissen sicher ebenso, dass es ohne Reformen nicht geht; so dumm sind die Menschen nicht. Was sie auf die Straße treibt, ist das „Wie“ der Reformen. Und in diesem Zusammenhang sollten Herr Bollmann, Herr Sinn und alle anderen „Volksaufklärer“ diese Massenproteste schon ernster nehmen. Es kommt nicht auf Herrn Müntefering und Herrn Sommer an, es kommt auf die halbe Million und alle, die dahinter stehen, an. Das war aus meiner Sicht auch erst der Anfang; nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa.
Es ist nicht wichtig, mit welch einer Wortwahl die Gewerkschaft gegen die Politik bzw. umgekehrt „kämpft“, sondern, dass da als „bescheidener“ Anfang eine halbe Million ein Zeichen gesetzt haben, nach dem Motto: Wir wissen auch, dass reformiert und verändert werden muss, aber: So nicht! JUTTA SCHREPFER, Bochum
Leider, so auch dieser Bollmann-Kommentar, verengen bzw. reduzieren sich die Kommentare aus Anlass der Massendemonstrationen auf das „Übliche“, das angeblich „vernunftbezogene Aufklärerische“, und übersehen das eigentlich Wichtige.
Das war der Souverän, der da gestern zu hunderttausenden auf die Straße gegangen ist. Und darauf kommt es an. Dieser Tatsache muss die Hauptbeachtung beigemessen werden und nicht dem, was nun die „Experten“ aus Politik und Medien meinen, davon halten zu müssen. Das Volk hat sicher ein besseres Gespür für die „Lage“ als alle „Experten“ zusammen.
Dreiviertel der Bevölkerung (ein „wahnsinnig“ großer Prozentanteil) sind gegen diese so genannten Reformen, so wie sie den Menschen „verkauft“ werden sollen. Der Souverän vermisst offenkundig und zu Recht die Ausgewogenheit (von Gerechtigkeit will ich gar nicht reden), bei den sicher grundsätzlich notwendigen Veränderungen. Und das ist die Botschaft, die alle „Experten“ gefälligst einmal zur Kenntnis nehmen sollten. Basta! KLAUS ZINNER, Bochum
Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor.Die erscheinenden Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.