Kasse essen Seele auf

Pfarrer Pomplun braucht Kondition und ein schnelles Auto, um von einem Gottesdienst rechtzeitig zum nächsten zu gelangen. Seit der Kirchenfusion rast er zwischen drei Gemeinden in Berlin und Brandenburg hin und her. Denn das hoch verschuldete katholische Bistum spart auch auf dem flachen Land

„Eine flächendeckende Seelsorge für Katholiken ist nicht mehr möglich“ „Da ich nur an einem Ort zur selben Zeit sein kann, muss ich oft absagen“

VON WIBKE BERGEMANN

Mobilität und Flexibilität sind gefragt, nicht nur auf dem säkularen Arbeitsmarkt. Auch junge Priester sollten mittlerweile solche Eigenschaften mitbringen. Pfarrer Norbert Pomplun betreibt Seelsorge in einem Gebiet, das sich von Frohnau im Berliner Norden weit nach Brandenburg hinein bis Zühlsdorf erstreckt. Früher war seine Pfarrei aufgeteilt in drei eigenständige Gemeinden: Schildow, Hohen Neuendorf und Frohnau. Doch mit dem großen Sparplan des Erzbistums Berlin-Brandenburg haben die drei wie so viele Berliner und Brandenburger Gemeinden zum Jahresbeginn fusioniert.

Rund 4.300 Mitglieder hat die zusammengelegte Gemeinde nun. Für Pfarrer Pomplun bedeutet das ein straffes, gut durchorganisiertes Gottesdienstprogramm: „Mein Vorgänger hatte keinen Führerschein, für den wäre das ein Problem geworden“, erzählt der 38-Jährige. Der Sonntag beginnt mit einer flotten Autofahrt von der Pfarrkirche in Frohnau zu einer der beiden kleineren Kirchen in Brandenburg. Immer abwechselnd findet dort der 9-Uhr-Gottesdienst statt. Einen wöchentlichen Sonntagsgottesdienst in beiden Kirchen kann Pomplun nicht bieten, dazu fehlt die Zeit. Immer dabei auf Pompluns Gottesdiensttouren sind der Küster und der Organist. Auch sie sind nun für alle drei Kirchen zuständig, seit im Zuge der Einsparungen ihre Kollegen entlassen wurden. Nach dem 9-Uhr-Gottesdienst schaut Pfarrer Pomplun noch kurz beim Gemeindefrühstück vorbei, eine halbe Stunde vielleicht – „das kommt drauf an, wie schnell ich mit dem Gottesdienst bin“. Dann geht es eilig zurück nach Frohnau, wo die Gläubigen ihren Pfarrer für den Gottesdienst um 11 Uhr erwarten. Wenn Pomplun sich beeilt, schafft er die sechs oder sieben Kilometer in zehn Minuten.

Pfarrer Pomplun mit seiner verzweigten Gemeinde ist kein Einzelfall. Das hoch verschuldete Bistum plant, die bisher 56 Brandenburger Gemeinden durch Zusammenlegungen auf 25 zu reduzieren. Kaum eine Gemeinde wird von den Einsparungen verschont bleiben. Laut Bistumssprecher Stefan Förner werden die Brandenburger Pfarrer teilweise künftig bis zu vier Standorte zu betreuen haben. In seinen gerade erschienenen pastoralen Leitlinien gibt Kardinal Georg Sterzinsky resigniert zu, „eine flächendeckende Seelsorge, die einem Katholiken die Teilnahme an allen Angeboten der Kirche sichert“, sei nicht mehr möglich. Das Bistum rät den Gemeinden, Prioritäten zu setzen. Das bedeute auch „Mut zur Lücke“, so Förner.

Pomplun wiegelt ab: Die seelsorgerische Grundversorgung mit Taufen, Erstkommunionen, Beerdigungen oder Krankenbesuchen sei in seiner Gemeinde gesichert. Doch natürlich bleibe für viele Tätigkeiten in der Gemeinde weniger Zeit. Die Zahl der Gottesdienste in den drei Kirchen habe sich insgesamt halbiert. Viele Kreise, die sich im Pfarrhaus treffen, müssen ohne den Pfarrer auskommen. Kleinere Andachten werden von Gruppen aus der Gemeinde vorbereitet. Den Kommunionsunterricht betreuen mittlerweile ausschließlich die Eltern. „Da ich nur an einem Ort zu einer Zeit sein kann, muss ich oft absagen“, sagt Pomplun entschieden. „Es soll schließlich nicht alles am Pfarrer hängen.“ Auch ohne den Sparzwang würde Pomplun seine Gemeinde zur Selbstständigkeit ermuntern. In Frohnau sei die Gemeinde schon lange gewohnt, sich aktiv an der Gemeindearbeit zu beteiligen. „Im Osten wurde das stärker vom Pfarrer gemacht“, sagt Pomplun und erinnert daran, dass hier sehr unterschiedliche Gemeinden zu einer „Zwangsehe“, wie er sagt, zusammengeführt wurden: „Nur in wenigen Fällen legt das Bistum Ost- und Westgemeinden zusammen.“ Natürlich kommt das Zusammenwachsen nur langsam voran: „Die Vorbehalte sind groß. Doch die großen Unterschiede bestehen vor allem in den Köpfen“, meint Pomplun.

In allen drei Gemeinden waren die Ängste vor einer Fusion groß. Die Hohen-Neuendorfer mussten zusätzlich darum fürchten, ihre Kirche zu verlieren. Denn das Bistum will die kleine Kapelle St. Thaddäus verkaufen, um seine Kassen aufzubessern. Ein Kirchenverkauf zu Unzeiten, meint Pomplun, „jetzt, da die Gemeinden zusammenwachsen müssen“. Der Pfarrer konnte sich schließlich im Kirchenvorstand durchsetzen: Die zusammengelegte Großgemeinde entschied, St. Thaddäus selbst zu kaufen. Nun verhandelt die Gemeinde mit dem Bistum um den Preis der Kirche, die ursprünglich 250.000 Euro kosten sollte. Die Entscheidung habe viel Vertrauen zwischen den Teilgemeinden geschaffen, meint Pomplun. Und so hat die Fusion auch ihre Vorteile: Keine der drei Gemeinden hätte sich die Kirche allein leisten können.

Dennoch, die meisten Gemeindemitglieder bevorzugen auch weiterhin den Gottesdienst in ihrer angestammten Kirche. Vor allem an den Ostertagen. Am frühen Morgen hält Pfarrer Pomplun die Karmette, also die Frühmesse in der Karwoche, in Brandenburg. Die großen Ostergottesdienste aber finden zentral in der geräumigen Pfarrkirche in Frohnau statt. Am Hohen Donnerstag ist die Kirche voll. Doch von den über hundert Besuchern sind nur die wenigsten aus Brandenburg gekommen. „Neun aus Hohen Neuendorf, 20 aus Schildow“ – Margot Krummrey hat gezählt. Das Kirchenvorstandsmitglied aus Hohen Neuendorf kommt gerne nach Frohnau: „Hier ist der Gottesdienst ein bisschen feierlicher.“ Doch nicht alle Mitglieder hätten die Möglichkeit, hierher zu kommen. Gerade die Älteren haben kein Auto. Auch Krummrey ist auf Mitfahrgelegenheiten angewiesen, seit der Sonntagsgottesdienst in Hohen Neuendorf nur noch alle 14 Tage stattfindet: „Meistens finde ich jemand, der mich mitnimmt. Aber nicht immer.“