: Noch ein Schäfer-Gümbel
Die Niedersachsen-SPD weiter ohne Fortune: Nach den Querelen um die verlorene Landtagswahl verstrickt sich Parteichef Duin weiter in einer Strukturreform. Gerade vertagte man sich – wieder mal
VON KAI SCHÖNEBERG
„Guckt mal“, flachst der grüne Fraktions-Vize Jürgen Trittin, wenn er Garrelt Duin im Bundestag begegnet: „Da kommt der niedersächsische Schäfer-Gümbel.“ Ein Vergleich so hart wie unfair. Immerhin hat Duin, SPD-Bundestagsparlamentarier und Vorsitzender der niedersächsischen Sozialdemokratie die Landtagswahl schon hinter sich. Und doch sind Duin samt Landespartei derzeit in einer ähnlich traurigen Lage wie die Hessen-SPD und ihr Spitzenkandidat.
Die SPD in Hessen steht vor einem Wahl-Debakel im Januar, die Niedersachsen haben schon vor elf Monaten desaströs abgeschnitten. Statt eines Aufbruchs haben sich die Sozialdemokraten zwischen Ems und Elbe bis heute vor allem dem Hickhack verschrieben: Intern tobt der Unmut gegen das Spitzenpersonal. Schon bald dürfte es den einstigen Spitzenkandidat Wolfgang Jüttner treffen. Einige Hinterbänkler setzen derzeit darauf, den amtierenden Fraktionschef nach der Bundestagswahl im nächsten September wegzumobben. Doch der 60-Jährige denkt offenbar noch nicht an Rückzug, und ein profilierter Nachfolger ist nicht in Sicht.
Auf Parteiebene steht derweil der Landeschef aus Ostfriesland in der Kritik: Duin habe der einst glorreichen Sozialdemokratie in Niedersachsen „ohne Not zwei weitere Riesen-Mühlsteine um den Hals“ gehängt, sagt ein einflussreicher Sozialdemokrat, der seinen Namen nicht preisgibt. Auch sagt er, ihn nervten die Querelen um die angebliche Finanzaffäre von Duins einstiger Stellvertreterin Swantje Hartmann, die die SPD monatelang lähmten. Andere Genossen behaupten, Duin habe wertvolle Zeit vertändelt, weil er nach der Wahlniederlage im Januar ohne Not eine Strukturreform ausgerufen hat – ohne dies mit dem Braunschweiger Bezirkschef Sigmar Gabriel zu besprechen.
Gabriel, im Nebenberuf Bundesumweltminister, zersägte Duins Plan, die Macht der verfeindeten vier SPD-Bezirke zu schleifen, bereits in einer glücklosen „Zukunftskommission“. Er fürchtet einen Machtverlust – und um das Geld in den relativ gut gefüllten Kriegskassen der Braunschweiger Bezirks-SPD, wenn künftig alles zentral in Hannover geregelt wird. Gegen die Abschaffung der Bezirke sind aber genauso auch SPDler aus dem Duin-Bezirk Weser-Ems.
Nun tagte ein halbes Jahr lang eine weitere „Strukturkommission“. Ergebnis: ein typischer Formelkompromiss. Und so entschied der Landesvorstand am Wochenende in schönster Einstimmigkeit, die Bezirksfrage zu vertagen – auf die Zeit nach der Bundestagswahl. Immerhin bekommt die Parteizentrale in Hannover aber Zuständigkeiten für Nachwuchsförderung, Veranstaltungsmanagment oder auch die Online-Aktivitäten der Niedersachsen-SPD und wird dafür personell leicht aufgestockt.
Über die Bewertung sind sich die Lager nicht einig. „Es ist nun nicht mehr die Frage, ob es einen Bezirk Hannover oder einen Bezirk Braunschweig gibt“, sagt Landesgeschäftsführer Michael Rüter. Die Partei debattiere derzeit lieber, „wie kreative Köpfe der SPD ihre Ideen besser in die Öffentlichkeit bringen können“.
Weitere Parteigranden sehen sogar das Ende der Bezirke gekommen. „Der Weg ist nicht mehr umkehrbar, wir gehen ihn aber langsamer“, heißt es aus der SPD-Spitze. Gabriels Widerstand gegen die Abschaffung sei gebrochen, nur so könne er im Mai bei der Landesdelegiertenkonferenz mit den Stimmen aus allen Regionen auf Platz 1 der Landesliste für die Bundestagswahl gelangen. Diesen angeblichen „Deal“ kann in Gabriels Umfeld niemand bestätigen. „Ich sehe nicht“, sagt ein anonymer Büchsenspanner, „wer das mit wem vereinbart haben könnte.“