: berliner szenen Literarisches Fußballtoto
Leider Gruppe D
Bis auf drei waren alle in „Schuppe’s Sportbar“ in der Torstraße gekommen. Schuppe heißt mit bürgerlichem Namen Fischer – immer noch besser als Gräte. Klar, dass man hier den Konsum von Bier mit dem Konsum von Fußball verbindet. An den Wänden sind Trainingsanzüge und Trikots in Bilderrahmen gequetscht, Hansa-Rostock-Lichtergirlanden hangeln sich von Wand zu Wand. Gegen 17 Uhr brachte Praktikantin Anja zwei Körbe mit jeweils 16 Briefumschlägen und stellte sie auf den Billardtisch, der Notar richtete sich auf der Grundlinie aus, und das Präsidiumsmitglied des FC Union schritt die Kandidaten ab. Nach kurzer Diskussion einigten wir uns, Tauschaktionen nicht zuzulassen. Dann wurde der erste Umschlag geöffnet – Marek kriegte Spanien.
Der Grund unseres Kommens war einfach: Frank hatte sich für seine 15 Lieblingsautoren in Sachen Fußball ein Spiel ausgedacht. Jeder von uns sollte eine Mannschaft bekommen, die man kommentierend, palavernd oder literarisierend durch die Europameisterschaft begleitet. Als fauler Mensch wollte ich natürlich eine Mannschaft haben, die über die Vorrunde nicht hinauskommt. Die Schweiz zum Beispiel oder Griechenland, von denen ich bis dato nicht wusste, dass sie Nationalmannschaften haben. Am allerliebsten wäre mir aber Lettland gewesen. Mein Glück reichte nur bis Gruppe D. Lottofee Oskar verkuppelte mich mit den Niederlanden. Das kann dauern. Lettland bekam Ahne. Torsten kriegte Dänemark. „Das ist ja, als hättest du die Zone gezogen“, sagte Karsten neidisch. – „Ärgerlich! Flaches Land, langweilige Mannschaft.“ – „Vielleicht spielen ja ein paar Eskimos mit“, beruhigte ihn Karsten, der am 19. Juni mit Tschechien gegen mich antritt. ANNETT GRÖSCHNER