Buten un binnen außer Atem

Lokalkinohistorische Trouvaille: In der Räuberpistole „Der Boss hat sich was ausgedacht“ treffen sich Jean Paul Belmondo und Jean Seberg am Roland

Schummelei! Im Hafen von Barcelona kreuzt ein Bremer BinnenfrachterDer Höhepunkt: Ein Dialog mit Blick auf den Marktplatz

Die Filmgeschichte unserer Hansestadt besteht nur aus ganz bescheidenen Kapitelchen. Weltstars haben sich kaum mal hierher verirrt. Cary Grant drehte zwar 1949 ein paar Tage lang mit Howard Hawks in Bremerhaven, doch in „Ich war eine männliche Kriegsbraut“ sieht man davon nur ein paar Schiffswände und Holzbaracken im Hafen. Aber 1964 standen tatsächlich Jean-Paul Belmondo und Jean Seberg in Bremen vor einer Filmkamera. In dem französischen Abenteuerfilm „Échappement Libre“, dem die deutschen Verleiher den Titel „Der Boss hat sich was ausgedacht“ verpasst haben, sieht man sie zusammen mit Gerd Fröbe im Überseehafen, den Wallanlagen und am Markt.

Fünf Jahre nach dem Erfolg von Jean-Luc Godards „Außer Atem“ brachte der französische Boulevard-Regisseur Jean Becker die beiden noch für ein zweites und letztes Mal in einem Film zusammen. Becker, der Sohn des bekannteren Filmregisseurs Jacques Becker („Wenn es Nacht wird in Paris“) hatte erst in den 80er Jahren seinen Durchbruch. Mit „Ein mörderischer Sommer“ machte er Isabelle Adjani zum Star. Das Beste hingegen, was man über das längst vergessene Frühwerk von ihm sagen kann: Die wüste Räuberpistole fungierte als eine Art Kindergarten für spätere Stars des französischen Kinos: Mitgewerkelt haben immerhin auch Costa-Gavras und Claude Sautet. Und sie ist immerhin solide inszeniert. Es geht darin um ein Auto voll Gold, das durch ganz Europa geschmuggelt werden soll. Belmondo klaut dem Schmugglerboss Fröbe den Wagen, Seberg hätte drauf aufpassen sollen, verliebt sich aber in Belmondo – Sie wissen ja, wie‘s weitergeht. Merkwürdigerweise führt die Reiseroute von Barcelona über Beirut, Damaskus und Athen nach Rom, und für den Showdown am nördlichen Ende bot sich Bremen mit seinem Hafen an.

Nur der letzte Akt spielt also hier, aber wer genau hinsieht, kann schon in den ersten Filmminuten eine im hiesigen Hafen gedrehte Szene entdecken: da wurde geschummelt! Abgeblich wird das Goldauto in dieser Einstellung in Barcelona verladen, aber im Hintergrund sieht man am Kai deutlich ein norddeutsches Binnenschiff mit stolz gehisster deutscher Flagge.

In Bremen hatte das Filmteam leider Pech. Während der Dreharbeiten änderte sich das Wetter, und so wurden Szenen mit und ohne Schnee notdürftig zusammen geschnitten: Einmal sieht man Belmondo am Pegel des Überseehafens im Schneematsch auf Seberg blicken, die im direkten Gegenschuss auf völlig trockener Strasse auf ihn zugeht.

Meist gelang es Becker, Seberg wirklich schön aussehen zu lassen, auch wenn sie mit längeren Haaren, tiefem Dekolleté und glamourösem Gehabe eher an Kim Novak als an ihre Herald Tribune-Verkäuferin in „ A Bout de Souffle“ erinnert. Bei ihrem Spaziergang mit Gerd Fröbe (der die gleichen Attitüden wie in dem im selben Jahr gefilmten „Goldfinger“ an den Tag legt) in den offensichtlich eisig kalten Bremer Wallanlagen sieht sie aber in ihrem dünnen Sommermäntelchen sehr verfroren und klein aus.

Die Actionszenen des Finales mit dem von einem Kran im Überssehafen fallenden Goldauto wirken rührend unbeholfen. Aber der Höhepunkt für den lokalpatriotischen Cineasten ist schon einige Minuten vorher zu erleben, in folgendem Dialog in einer Kneipe am Markplatz mit Blick aus dem Fenster auf den Roland. Belmondo: Wer ist der Junge? Seberg: Das ist Heinrich, ein Freund! Belmondo: Wenn das so ist, bin ich wenigstens mal in Bremen gewesen!

Wilfried Hippen

„Der Boss hat sich was ausgedacht“ läuft heute, 20.30 Uhr und am Dienstag, 18 Uhr im Kino 46