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Archiv-Artikel

KANZLER SCHRÖDER VERABSCHIEDET SICH VOM SPARZIEL 2004 Erst Schlingerfahrt, jetzt Schleuderkurs

Jetzt darf also wieder Geld ausgegeben werden. Die Sozialdemokraten, gemeinsam mit den Grünen angetreten zu beweisen, dass auch Linke die Staatskasse zusammenhalten können, haben die Pferde gewechselt. Schon am Rand des G-8-Gipfels der großen Industrienationen hat der Kanzler einen echten Richtungswechsel in der Finanzpolitik erkennen lassen und verkündet: In der derzeitigen wirtschaftlichen Situation dürfe man sich nicht prozyklisch verhalten. Zu Deutsch: Ist die Konjunktur erst im Keller, darf man den Märkten durch staatliche Knauserei nicht noch zusätzlich Geld entziehen. Bislang galt das glatte Gegenteil.

Ist es nun gut oder schlecht, dass sich die Regierung ihres Images vom Schmalhans entledigt? Unter den konjunkturellen Einbrüchen, die seit zweieinhalb Jahren die Volkswirtschaften der Erde malträtieren, hatte der Eichel’sche Sparkurs doktrinäre Züge angenommen. Jetzt aber, mit dem Richtungswechsel gegen den Willen des Finanzministers, ist die Herausforderung für die Regierung noch viel größer geworden: Schröder muss nun die neue Richtung erklären. Der wahlweise Genosse der Bosse und Obergewerkschafter muss sagen, wo der rote Faden seiner Finanzpolitik verläuft. Leider steht zu befürchten, dass es keinen gibt.

Schröder will Vollgas geben, um die Konjunktur anzukurbeln. Gleichzeitig tritt er auf die Bremse, weil das Geld an allen Ecken und Enden fehlt. Nichts anderes bedeutet es, wenn der Kanzler behauptet, der Konsolidierungskurs werde fortgesetzt und gleichzeitig würden „Wachstumsimpulse“ gegeben. Wenig überraschend war deswegen, dass Schröder gestern noch nicht wusste, wie diese Impulse genau aussehen sollen.

Wenn die bisherige, nur von Eichels Sparkonzept notdürftig zusammengehaltene rot-grüne Politik eine Schlingerfahrt war, was erwartet dann das Land? Was herauskommt, wenn man Gas gibt und zugleich die Handbremse zieht: ein Schleuderkurs. Die neue Haushaltspolitik wird weder zu mehr Wachstum noch zu mehr Sparsamkeit führen. Am Ende muss es dann nicht die Regierung, sondern die Konjunktur richten. CHRISTIAN FÜLLER