: In sich selbst verliebter Misanthrop
Eine schöne DVD enthält Interviews mit dem Übertreibungskünstler Thomas Bernhard
Monologe auf Mallorca“ und „Die Ursache bin ich selbst“ – so heißen zwei sehr sehenswerte Filmporträts des österreichischen Schriftstellers Thomas Bernhard, die der Suhrkamp-Verlag nun in seiner Filmedition auf DVD herausbringt. Bernhard gab die hier verarbeiteten Interviews 1980 dem Fernsehen, namentlich Krista Fleischmann. Der Anlass war sein 50. Geburtstag.
Wir erleben einen heiteren und listigen älteren Herrn, seine Körpersprache verrät gute Manieren. Genüsslich quält Bernhard seine geduldige Zuhörerin mit einem endlosen Wortschwall, in dessen Verlauf sich Spruchweisheit an Spruchweisheit reiht. Zu Österreich: „Lauter liebe Menschen, aber bösartig und unwichtig, und katholisch.“ Warum er schreibe? „Um“, so die grinsende Antwort, „mich selber zu unterhalten und um zu verhindern, dass mir langweilig ist auf der Welt. Wenn es fertig ist, hat man eine Mordsfreud, wenn’s gedruckt ist, eine doppelte. Und dann denkt man wieder: ist alles eigentlich für die Katz.“
Hinter nahezu jede dieser Sentenzen setzt Bernhard ein aufforderndes: „Nicht?“ Mit einer Reaktion seiner Interviewerin rechnet er nicht. Gleichzeitig entsteht der Eindruck, er wolle seinem Gegenüber tatsächlich verständlich machen, was ihn als stets beobachtenden „Geistesmenschen“ ausmacht. Sein Lächeln Krista Fleischmann gegenüber ist ungeheuer freundlich. Thomas Bernhard ist ein geselliger Menschenverachter. Außerdem liebt er es, Darsteller seiner selbst zu sein.
Seine grausame Kindheit hat Bernhard tief verletzt – Einzelheiten gibt er nicht preis. Aber er zeigt: Über seine Traumatisierung hat er den Glauben an seine Mitmenschen verloren, nicht aber seinen Humor und seine Verspieltheit. Alle seien immer vor ihm fortgelaufen, die Eltern, die Nachbarn. Warum? „Na, wegen mir selbst.“ Dabei sei er ein wirklich lieber Junge gewesen, mit großen goldenen Locken und einer angenehmen Stimme. Mit 17 Jahren sang er bereits die großen Wagner-Rollen, dann kam Mozart, der Höhepunkt schließlich war Anton Bruckners „Ave Maria“. So was Schönes habe er noch nie in seinem Leben gehört. Vielleicht, so sinniert Bernhard, lag hier schon der „Keim des Verderbens“. Die Selbstsucht, der Hochmut – gegen Christus und den Herrgott ansingen zu wollen. Die Nonnen nebenan habe es denn auch geradezu zerbeutelt. Trotzdem habe er sich just in diesem Moment in sich selbst verliebt.
Dann nimmt er seine Lieblingsjournalistin mit zum Stierkampf. Bernhard kommentiert das Gemetzel erst scharfzüngig-routiniert, dann wird er zunehmend deprimierter. War man seiner Menschenverachtung bereits ein wenig überdrüssig geworden, so scheinen jetzt die Weisheiten des eitlen Misanthropen mehr als angemessen. Der Mensch ist ein Barbar – im Kern ist er schlicht schrecklich. Diese Schrecklichkeit will Bernhard durch Übertreibung fassbar machen. Immer ginge es in seinen Romanen um Provokation, nie um Authentizität. „Ich habe meine Übertreibungskunst in eine unglaubliche Höhe entwickelt.“ Denn allein in der Überzeichnung würden die Dinge anschaulich, begreifbar.
Der allzu offen zur Schau getragenen Leserverachtung zum Trotz: Das Entsetzen auf Bernhards sympathischem Gesicht mit der wohl vom Alkohol geröteten Nase berührt. „Das Schlimme ist ja, der Stier will nichts“, merkt er leise an.
INES KAPPERT
„Monologe auf Mallorca + Die Ursache bin ich selbst. Die großen Interviews mit Thomas Bernhard“. Von Krista Fleischmann. filmedition suhrkamp, Frankfurt a. M. 2008, DVD, 94 Min. mit 42-seitigem Begleitheft, 19,90 Euro