Neue Wirkung Neuer Musik

Die Hommage an Luigi Nono im Rahmen der Kölner MusikTriennale gewinnt eine unerwartete Aktualität. Schließlich beschäftigte sich der Komponist in seinen Stücken mit Sozialabbau

VON CHRISTIAN MEYER

Die „Omaggio a Luigi Nono“ steht mit über vierzig Veranstaltungen im Zentrum der diesjährigen MusikTriennale, die ab Samstag unter dem Titel „Entdeckung Europa“ in Köln stattfindet. Sie soll an den 1990 verstorbenen Komponisten, der im Januar dieses Jahres 80 Jahre alt geworden wäre, erinnern. Dass der überaus einflussreiche Protagonist der Neuen Musik aber in einer Zeit, in der Hunderttausende Menschen dem gewerkschaftlichen Aufruf zur Demonstration folgen wie unlängst in Köln – jenseits von Jubiläen – inhaltlich wieder ganz aktuell ist, konnte man bei der Planung des Programms wohl noch nicht voraussehen.

Nono komponierte „La fabbrica illuminata“ für Stimme und Tonband 1964 unter der Verwendung von Tonmaterial aus einem Walzwerk in Genua, Aufnahmen von politischen Stellungnahmen der Arbeiter und Chorgesang. Die Texte sind politisch motiviert, aber nicht verständlich artikuliert – die Stimme ist bei Nono meist musikalisch eingesetzt. Denn Nono war zwar bekennender Kommunist, wollte aber nicht platt agitatorisch auftreten, sondern zunächst einmal einen zweifelhaften musikalischen Autonomiebegriff angreifen und die Frage nach einer neuen gesellschaftlichen Funktion der Musik stellen.

Das konkrete Klangmaterial wurde im Studio technisch manipuliert und mit elektronischen Klängen kombiniert. Live tritt eine Gesangsstimme in einen Dialog mit den Aufnahmen. Bei der Aufführung am 23. April in der Kunst-Station Sankt Peter (Leonard-Tietz-Str. 6) wird die Vokalistin Susanne Otto auftreten, André Richard übernimmt die Klangregie. Weitere Stücke des Abends sind „Ricorda cosa ti hanno fatto in Auschwitz“ (1966), „Omaggio a Emilio Vedova (1960) und „Für Paul Dessau“ von 1974 (alle drei Werke für Tonband).

Knapp 20 Jahre später lieferte Nono mit „Guai ai gelidi mostri“ von 1983, das noch im selben Jahr in Köln uraufgeführt wurde,einen Kommentar zur Kälte der kapitalistischen Gesellschaft. Das Stück kombiniert Gesang mit herkömmlichen Instrumenten und Live-Elektronik. Die Werke zweier Freunde, Luigi Dallapiccolas „Piccola musica notturna“ von 1961 und Salvatore Sciarrinos „Le voci sottovetro“ von 1998, ergänzen das Programm in der Kunst-Station Sankt Peter am 21. April um 20 Uhr.

Wie weitere zwanzig Jahre später – also genau jetzt – Musiker soziale Themen in ihre Musik integrieren können, zeigt Matthew Herbert. Er hat bereits aus den Samples der geräuschvollen Zerstörung einer McDonald‘s-Tüte samt essbaren Inhalts aus dem Stegreif Housemusic live auf der Bühne produziert. Mit seiner „Matthew Herbert Big Band“ kombiniert er seine Samplemusik mit einer 15-köpfigen Band und der Sängerin Dani Siciliano am 3. Mai in der Philharmonie. Luigi Nono hätte an dessen Globalisierungskritik mittels musikalischer Gesten und seiner Kombination von herkömmlichen Instrumenten, Gesang und Elektronik sicherlich seine Freude gehabt, auch wenn er auf einem ganz anderen musikalischen Terrain arbeitete.