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Archiv-Artikel

Nordrhein-Westfalens FDP braucht Stoff

Eine Ausflug der liberalen Landtagsfraktion endet im Desaster: FDP-Abgeordnete reisten an die EU-Außengrenze, um sich über Kriminalität zu informieren – und schmuggelten billige Zigaretten. Jetzt ermittelt der Staatsanwalt wegen Steuerhinterziehung

AUS FRANKFURT (ODER) UND DÜSSELDORF SEBASTIAN HEISER UND ANDREAS WYPUTTA

Die „Fluppen-Affäre“ hat Nordrhein-Westfalens Liberale im Griff. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) will ein Ermittlungsverfahren gegen Abgeordnete der Düsseldorfer FDP-Landtagsfraktion einleiten. Der Vorwurf: Steuerhinterziehung. „Ich prüfe, ob ich die Immunität der Abgeordneten aufheben lasse“, sagte Staatsanwalt Ulrich Schernding zur taz.

Es begann so harmlos: Über die „Auswirkung der bevorstehenden Osterweiterung“ wollte sich die NRW-FDP-Fraktion mit einer Reise an die polnische Grenze informieren. Erstes Thema in Frankfurt (Oder): „Neue Herausforderungen an Zoll und Polizei nach der EU-Erweiterung“. Zwei Stunden lauschen die Parlamentarierer drei Fachmännern von Zoll und Polizei.

Nur 5 Prozent der Schmuggler werden gefasst, hören sie – und wenden das neu erworbene Wissen sofort an: Sechs Stangen Zigaretten kauft der Sprecher des Landtagsausschusses für Wissenschaft und Forschung, Friedrich Wilke, und verteilt die Ware an seine Fraktionskollegen. Der Innenpolitiker und Hardliner der Fraktion, Polizeihauptkommissar Horst Engel, nimmt eine Stange, ebenso wie die Vizefraktionsgeschäftsführerin und der Sprecher für Europapolitik. Hinter der Grenze verstaut Wilke die Kippen wieder in seiner schwarzen Plastiktüte. Der Hochschullehrer spart 130 Euro. Widerrechtlich, wie Hans-Henning Kühne vom Hauptzollamt Frankfurt erläutert: „Es handelt sich um Steuerhinterziehung“ – erlaubt ist eine Stange pro Person.

Der liberale Ausflug wird damit zum Mediendesaster. Kettenraucher Wilke reagiert hilflos auf einen ersten taz-Bericht: „Ich habe geschmuggelt und wusste es nicht.“ Polizist und Nichtraucher Engel, der gern „mehr Kompetenzen für den Bundesgrenzschutz als echte Bundespolizei“ fordert, behauptet dagegen in der Frankfurter Rundschau, er habe die Zigaretten für seinen Schwager gekauft.

Doch die Erklärungsversuche des Liberalen rufen innerparteiliche Gegner auf den Plan: „Die taz-Geschichte mit dem Titel ‚liberal, illegal, scheißegal‘ landete auf den Tischen vieler Düsseldorfer Landesjournalisten“ – gefaxt vom Anschluss der NRW-FDP-Fraktionsführung, notiert der Tagesspiegel.

Wilke räumt den Schmuggel auch im Deutschlandfunk ein. Engel dagegen klagt gegenüber der Rheinischen Post, er habe erwartet, dass sich „die so genannte Führung“ schützend vor ihre Abgeordneten stellen werde. Doch auf die Unterstützung des Fraktionsvorsitzenden Ingo Wolf und des Parteichefs Andreas Pinkwart wird Engel verzichten müssen: „Ingo Wolf wird sich dazu in keinem Fall äußern“, erklärt Fraktionssprecher Andres Theyssen. „Der Betreffende wird die ersparte Steuer an den Fiskus entrichten. Damit hat die Angelegenheit für die Fraktion ihr Bewenden.“