: Gefährliche Brieffreundschaft
US-Präsident Bush soll laut Medien das schriftliche Okay für Scharons Besatzungspläne gegeben haben. Palästinenser: Friedensprozess droht Aus
RAMALLAH/GAZA/JERUSALEM dpa/ap ■ Die Palästinenserführung hat US-Präsident George W. Bush gestern vor dessen Treffen mit Israels Premier Ariel Scharon eindringlich vor der Zerstörung des Nahost-Friedensprozesses gewarnt. Palästinenserpräsident Jassir Arafat hat mit einem Abbruch des Prozesses gedroht, falls die USA einer Annexion von Teilen des Westjordanlands durch Israel zustimmen. Der palästinensische Premier Ahmed Kurei betonte, die USA könnten den Friedensprozess ruinieren, wenn sie nur einer Seite schriftliche Garantien übermittelten.
Kurei reagierte damit auf israelische Medienberichte, laut denen Bush Scharon einen Brief überreichen will, in dem er den palästinensischen Flüchtlingen das Rückkehrrecht in ihre Heimatorte abspreche und erstmals künftigen Veränderungen der Grenzlinie von 1967 zustimme. Nach Angaben der New York Times will Bush Israels Recht auf Beibehaltung einiger Siedlungen im Westjordanland im Zuge einer Nahost-Friedenslösung anerkennen. Dies würde eine deutliche Abkehr von der bisherigen US-Position bedeuten, nach der Siedlungen als ein Hindernis auf dem Weg zum Frieden eingestuft werden. In dem besagten Brief soll auch stehen, dass die USA in Zukunft keinen Friedensplan außer der „Road Map“ unterstützen werden und dass Israel auch nach einem Truppenabzug das Recht auf „heiße Verfolgungen“ von Extremisten in den Palästinensergebieten beibehalte. Im Gegenzug wolle Scharon Bush einen Brief übermitteln, in dem er sich zu einer Räumung fast aller Siedlungen im Gaza-Streifen und einiger Siedlungen im Westjordanland verpflichtet. Für diese Berichte gab es allerdings keine offizielle Bestätigung. Kurei warnte, die Lage sei „sehr ernst“. Das palästinensische Kabinett wolle sich zu einer Dringlichkeitssitzung versammeln, um die Ereignisse in Washington ständig zu verfolgen.
Jüdische Siedler haben eine große Kampagne gegen den Plan Scharons zum Abzug aus Gaza gestartet. Hunderte Siedler würden persönlich bei Mitgliedern von Scharons Likud-Partei vorsprechen, so das Militärradio gestern. Am 2. Mai will Scharon seinen Plan den Likud-Mitgliedern zur Abstimmung vorlegen.
Unterdessen hat das UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge seine Arbeit im Gaza-Streifen wieder aufgenommen. Es hatte vor vierzehn Tagen jegliche Hilfslieferungen gestoppt, nachdem Israel den Warentransport und die Bewegungen des Hilfspersonals mit immer schärferen Restriktionen belegt hatte. Der Leiter der Organisation, Peter Hansen, sagte, dass der Wiederaufnahme Gespräche mit Israels Regierung vorausgegangen waren. Hensen teilte zudem mit, dass seine Organisation bisher 70 Millionen der insgesamt 193 Millionen Dollar Finanzhilfen erhalten habe, die bei der Internationalen Staatengemeinschaft für die Notversorgung der Palästinensergebiete 2004 beantragt worden sind.