Christoph Schurian über zwei Wochen Urlaub unter Tage

Renaissance unter Steigern für 8.000 Euro

Gertrud wartet im Lärmkegel des Förderturms. In der Kaue schrubbt Hubert seinen Rücken mit einer rauen Bürste. Schwarzer Staub mischt sich mit dem heißen Wasser. Männer singen, Frauen warten. Eine rührende Szene, eine Geschichte aus einer anderen Zeit – der Regionalkonzernverband (RG) macht es möglich. Ausgebrannte Zivilisten spielen im Nordost-RG 1950er-Jahre, auf die harte Tour.

„Das war der schönste Urlaub meines Lebens“, sagt Hubert Traskowski, als er wenig später blinzelnd im Tageslicht steht. Gertrud umarmt ihren Ehemann. Zwei Wochen hat sie ihn nicht gesehen, zwei Wochen spielte Traskowski, der Robotstimmdesigner aus Konstanz, einen Steiger im Steinkohlenbergbau. „Als wir ankamen, wussten wir nichts!“ Doch jetzt könne er die wichtigsten Regeln und Handgriffe für die schwere Arbeit unter Tage. „Klopfzeichen oder Schlagwetter-Alarm, wegen mir könnte es für immer so weitergehen“, schwärmt der Südbade. Doch sein Gelddepot wird das kaum erlauben.

Ganz billig ist der Tripp in die Tiefe nicht. 4.000 Euro kostet eine Woche mit Kost und Logis. Dafür stellt die RG Tochter DSK (Die Stress Killer) Bergmannskleidung, Abbaugerät und erfahrene Arbeitsbegleiter wie Heinrich Pawlak, der noch erlebt hat, wie es ist, mit 1.000 Kumpels wirklich schwarzes Gold zu fördern. „Die Weicheier aus de Offices, den tu ich jezz beibringen, wat Schweiß is un wat Schmutz – kein Thema!“ Und ob.

2016 war das Ende gekommen für den deutschen Steinkohlebergbau. Nach der zweiten Ost-erweiterung um Länder wie das Schwarzkohleland Ukraine stand für die Region West nicht mehr genügend Geld zur Verfügung. Die Prager öffentliche Hand verabschiedete sich aus der Subventionierung der Steinkohle. Die meisten Gruben wurden verfüllt. Doch in Pelkum hielt ein Traditionsverein die Zeche gut in Schuss, bis der RG vor vier Jahren aus der DSK einen Event-Ableger machte. Von nun an floss wieder Geld in den Kohleabbau – seit zwei Jahren fahren täglich 1.000 Abenteuerlustige ein in den Schacht. DSK schreibt schwarze Zahlen, das erste Mal seit rund achtzig Jahren.

Heim Gruber, der DSK-Chef, konnte auf seiner letzten Bilanzkonferenz stolz auf einen Umsatz von fast einer halben Milliarde Euro nur durch den Urlaubspütt verweisen und auf große Ziele: „Wir planen, weitere drei Zechen in West für Urlauber zu öffnen.“ Über die Standorte ist noch Stillschweigen vereinbart – am Montag erwarten rüstige Bergwerksgegner die Bekanntgabe der Pläne in Herne (RG).

Kritisiert wird von den Bewegten Bürgern (BB) ein schleichend wieder einsetzender Abbau. Gerd Friecher von BB ist kritisch: „Beim Urlaub unter Tage werden tausende von Tonnen Steinkohle herausgeschrammt!“ Und über den Stollen vibriere der Boden wieder wie in den Hochzeiten der Kohleschredder. Die arglosen Touristen würden hier für eine perfide Strategie ausgenutzt: „Glaubt mal niemand, die DSK wolle nicht wieder voll in die Steinkohleförderung einsteigen!“ Einen Vorteil billigt Friecher auch den Abenteuersteigern zu: Der Erholung Suchende und nicht der Steuerzahler subventioniere jetzt freiwillig die Steinkohle.