Ungeniale Lebensmittel

Ab Sonntag neue Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Nahrungsmittel in Kraft. Zwar sollen weite Teile von Handel und Erzeugern im Norden auf die ohnehin unbeliebte Ware verzichten, doch ganz sicher sein können Verbraucher nicht

von Alexander Diehl

Jetzt wird es Ernst. Ab kommenden Montag müssen EU-weit die neuen Regeln für die Kennzeichnung von Gentechnik in Lebensmitteln umgesetzt werden. Handel und Erzeuger sind dann verpflichtet, genetisch erzeugte oder veränderte Inhaltsstoffe auszuweisen. Dem Konsumenten soll das die Auswahl ermöglichen: zwischen traditionellen Lebensmitteln und solchen, die es ohne gezielten Eingriff ins Erbgut gar nicht geben würde, so genanntes „Novel-Food“.

Ein „Meilenstein“, findet die grüne Verbraucherschutzministerin Renate Künast. Auch der stellvertretende Staatssekretär im schleswig-holsteinischen Ministerium für Verbraucherschutz, Hans-Joachim Pieper, hält die neuen Regelungen für „eine deutliche Verbesserung“. Bereits im Januar hatte sich die Hamburger EDEKA-Gruppe, laut eigenen Angaben Marktführer im deutschen Lebensmittel-Einzelhandel, auf einen Verzicht von Gentechnik festgelegt – zumindest, was ihre Eigenmarken angeht. Nicht unbedingt ein Ausweis für ökologische Sensibilität: „Novel-Food“ lehnen jüngsten Umfragen zufolge mehr als zwei Drittel der Bundesbürger ab – da gebietet schon die kaufmännische Vernunft die Distanzierung.

Als die Umweltorganisation Greenpeace gestern zum Ortstermin in eine Filiale nach Hamburg-Langenhorn bat, konnte ein „Gendetektiv“ denn auch noch auf etliche von nun an kennzeichnungspflichtige Produkte im Warensortiment hinweisen.

So schön die neuen Regelungen klingen: Unsicherheit für die Verbraucher bleibt. Da ist etwa die „0,9-Prozent-Regelung“: Kennzeichnungspflichtig werden gentechnisch bearbeitete Inhaltsstoffe erst dann, wenn sie besagten Anteil überschreiten – bezogen auf die jeweilige Zutat, nicht auf das Gesamtprodukt.

Zudem landen 80 Prozent der eingeführten Gentech-Produkte als Futtermittel in den Trögen der konventionellen Landwirtschaft – über diesen Umweg verschwinden sie von der Zutatenliste. Ob also ein Tier mit traditionellem oder Genmais gemästet wurde, muss nicht auf der Schinkenverpackung stehen. Wirkliche Sicherheit, so die „Novel-Food“-Skeptiker, garantieren derzeit am ehesten die gängigen Bio-Siegel. Sie böten, so Silke Schwartau von der Hamburger Verbraucher-Zentrale, „eine Möglichkeit, Lebensmittel schnell zu erkennen, die ohne Gentechnik erzeugt wurden“.

Trotz aller Defizite: Auch die Skeptiker in Sachen „Novel-Food“ erkennen einen Fortschritt an. „Vorteile für die Verbraucher“ findet da auch Greenpeace. Die neuen Regeln seien „die besten, die die EU je hatte“, merkt der BUND in einem Hintergrundpapier an – „und die besten der Welt“.

Die Bereitschaft, auf „Novel-Food“ zu verzichten, hat Greenpeace bei 450 Lebensmittelunternehmen erfragt und daraus den Einkaufsratgeber „Essen ohne Gentechnik“ erstellt (www.greenpeace.de). Die Verbraucherzentralen haben ihre Broschüre „Gentechnik und Lebensmittel“ aktualisiert und führen im Internet eine Liste mit Gentechnikanbietern und -meidern (www.vzhh.de).