: Unzulässige Reduktion
(TAZ VOM 15. APRIL 2029) Im südlichen Afrika gelangt eine Generation an die Regierungsmacht, deren Eltern zu großen Teilen an der Aidsseuche starben. Diese „Aidswaisen“ sind geprägt von der Erfahrung, es allein schaffen zu müssen, schrieb Johanna Svensson.
Eigentlich kann man sich über ihre Afrika-Berichterstattung ja nicht beschweren. Immerhin sind Sie eine der wenigen Zeitungen, in denen man überhaupt noch etwas über die Länder jenseits des Maghreb lesen kann. Insofern finde ich den Bericht über die Aidswaisen von letzter Woche besonders ärgerlich. Sie haben versucht, das Regierungshandeln dieser Akteure rein aus deren Erfahrung zerstörter Sozialstrukturen und ökonomischen Niedergangs zu erklären. Das greift aber viel zu kurz. Dass die Biografie das politische Bewusstsein mit bestimmt, ist eine Binsenweisheit – dass sie es determiniert, eine unzulässige Reduktion. So wurden die ökonomischen, sozialen und kulturellen Zwänge, denen diese Regierungen unterliegen, in Ihrem Artikel nicht ausreichend berücksichtigt. Insgesamt ist der Text eine Demonstration des unglücklichen Hangs ihres Blattes, zu personalisieren. Statt über Strukturen aufzuklären, berichten Sie über Menschen, statt die wahren Machtverhältnisse offen zu legen, rücken Sie einzelne Individuen und ihre Schicksale in den Mittelpunkt. Das mag den Geschmack eines Massenpublikums treffen, auf Dauer ist dieser Ansatz für den politisch denkenden Leser aber unbefriedigend.
HANNA VIKTORIA LIEBERMANN, FRANKFURT AM MAIN