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Archiv-Artikel

Kampfplatz Sandkasten

Im St. Pauli Theater wird bei Franz Wittenbrinks „Mütter“ deren Beziehung zu ihren Söhnen aufs Korn genommen

Schon wenn sie mit einem lautstarken „Born to be wild“ auf die Bühne stürmen, wird klar, dass die vier Jungs ihren Müttern das Leben schwer machen. Sie ballern mit Plastikpistolen umher oder versuchen gar, den Schwächsten aus der Gruppe zu erhängen. Die Mütter indes vergnügen sich lieber ohne ihre Kinder, trällern zwar, als das Opfer schon an den Baum geknüpft wird, kurz: „Do you need anybody?“, wenden sich dann aber gleich wieder anderen Beschäftigungen zu.

Keine Frage: Die moderne Erziehungswelt, die Ulrich Waller in der Neuinszenierung von Franz Wittenbrinks Mütter im St. Pauli Theater darstellt, ist keine schöne. Überspitzt und sarkastisch demonstriert das Ensemble überzeugend den alltäglichen Beziehungskampf zwischen Müttern und Söhnen. Da ist einerseits die gestresste Business-Frau (Marion Martienzen), die nur Augen für ihren Laptop hat, während sich ihr Dickerchen nach Liebe sehnt und heult: „My lonelyness is killing me.“ Und da ist auf der anderen Seite die Öko-Mami (Cornelia Schirmer) im Hippie-Gewand, die ganz auf Gefühl macht und deren Sohn dennoch zum aggressiven Rüpel wird. Zusammen mit der Zigaretten qualmenden Schwangeren (Sabrina Ascacibar), der enttäuschten Lasziven (Katharina Mittermeier) und der abgestumpften Großmutter (Cordula Gerburg), singt sie sich am Sandkistenrand ihren Frust von der Seele.

Um den ganzen Facettenreichtum innerhalb der Mutter-Sohn-Konflikte widerzuspiegeln, ist die musikalische Bandbreite groß. Neben viel englischer Musik gibt die Großmutter auch deutsche Wiegenlieder oder moralinsaure Gruselmärchen zum Besten. Ihr einziger Kommentar zu den „Rabenmüttern“ von heute: „Ich find‘ euch scheiße!“

Irgendwo zwischen Songs von den Comedian Harmonists und den Böhsen Onkelz droht die Liedauswahl gelegentlich ins Beliebige abzugleiten und ist wenig themenzentriert. Die Qualität der musikalischen Darbietung ist dagegen durchweg hoch, auch das Arrangement der Lieder überzeugt. So gibt es reichlich zu lachen, Bekanntes mitzusingen – und man kann sich einreden, dass das Gezeigte zum Glück keinen Wirklichkeitsanspruch hat. Denn wenn die Mütter zum Schluss ein versöhnliches „Kinder an die Macht“ anstimmen, nehmen die Söhne sie beim Wort und richten ihre Spielzeugwaffen auf sie. Der Kampf findet einfach kein Ende. Maren Albertsen

Nächste Vorstellungen: 19.+20.4., 20 Uhr, St. Pauli Theater