: Die Passion Christi – ein Glücksfall
Welche Wirkung haben die Gewaltbilder des Mel Gibson-Films? Auf diese Frage wird es unterschiedliche Antworten geben. Nach einer Sonder-vorführung der Jungen Union herrschte aber Einvernehmen in zwei Punkten: Der Film ist ein Anti-Gewaltfilm, und er ist nicht antisemitisch
Bremen taz ■ Der große Kinosaal Nummer 2 war trotz des Frühlingswetters voll, als am Samstagvormittag die Bremer Junge Union zu dem Mel-Gibson-Film „Die Passion Christi“ eingeladen hatte. Er sei, gestand der CDU-Vorsitzende Bernd Neumann, skeptisch gewesen, als er von der Idee zu der Veranstaltung gehört hatte, denn wie viele kommen schon zu CDU-Veranstaltungen. Sonst. Und wie wenige hören sich die Passionsgeschichte in den Karfreitagsgottesdiensten an, meinte der Schriftführer der Evangelischen Kirche, Lous Ferdinand von Zobeltitz, fast neidisch. Und jetzt: Millionen Jugendliche sprechen über Christus, das kann nicht schlecht sein.
Eigentlich kann man nach einem solchen Film nicht sprechen. Mindestens eine der zweieinhalb Stunden wird auf der Leinwand der großformatig dargestellte Körper des Jesus von Nazareth geschlagen, gepeitscht, getreten, ans Kreuz genagelt.
Zobeltitz hatte den Film zunächst nur aus dienstlicher Verpflichtung sehen wollen, sich „Außenplätze“ reservieren lassen, damit es nicht so auffällt, falls er vorher hinausgehen wollte. Aber dann war er doch bis zum Ende in den Bann der Bilder gezogen. „Ein theologischer Film“ findet er. „So schonungslos wie das Geschehen damals“, findet der Jugendpfarrer Ulrich Högemann, den die CDU auch aufs Podium geladen hatte. Gnadenlos. Es gebe da „kein Identifikationsobjekt“. Im Gegenteil: Es wird sehr ausgiebig gezeigt, wie sogar die Jünger Jesu ihren Rabbi allein ließen, ihn verleugneten, nichts mehr damit zu tun haben wollten. Nicht nur Judas, auch Petrus, der Fels, als armselige Gestalt.
Auch Neumann kann dem Film eher Positives abgewinnen. Immerhin gehe es da um die „Grundlage unserer abendländischen Kultur“, sagt er. Ein „Anti-Gewalt-Film“, keineswegs antisemitisch, auch wenn der Film – wie die Evangelien – die Verantwortung der Hohepriester etwas stärker herausstreicht als das historisch gerechtfertigt wäre. Aber der da leidet, ist Jude. Und die zynischsten Schlächter sind die römischen Folterknechte.
Zweieinhalb Stunden blutroter Schmerz – und warum? „Für uns gelitten“ habe Jesus, sagt Neumann. Den Kirchenvertretern in der Diskussion kam die Auferstehung zu kurz. Aber auch eine Auferstehung würde die Frage nicht verdrängen: Warum diese Folter? Die mit softer Meditationsmusik in die Peitschenhiebe eingeschnittenen Rückblenden des soften Jesus, der „Liebet eure Feinde“ predigt, können den Hass nicht erklären. Viele scheint dieser Jesus mit seinen absurden Botschaften ja auch nicht überzeugt zu haben. Warum also diese Qual?
Zobeltitz meinte, der Film bedürfe einer theologischen Erklärung. Aber die Millionen, die ins Kino kommen, kommen nicht zu seiner Osterpredigt. Warum auch? Musste dieser Mann so grausam gefoltert werden, damit unsere kleinen Sünden vergeben werden? Absurd die Vorstellung. Es kann keine Sünde geben, die es rechtfertigen würde, einen Menschen zweieinhalb Stunden lang so zu quälen. Sollen wir also glauben, weil es absurd ist?
Auch das letzte Abendmahl wird in die Folterszene eingeblendet, einmal mit „Dies ist mein Leib“, einmal mit „Dies ist mein Blut“. Was, wenn jemandem, der zum Abendmahl geht, plötzlich diese realistischen Bilder von der Qual vor Augen aufsteigen? Der Film bringt die ganze Grausamkeit in eine Kirche, die lieber vom „lieben Gott“ redet. Die Wahrheit der Bilder vom Kreuzestod ist denen untersagt, die zur Kommunion oder zur Konfirmation gehen – der Film ist erst ab 16 Jahren zugelassen.
Auch in den Ländern des Vorderen Orients ist der Film ein Kino-Erfolg. Wirkt er da auch als „Anti-Gewalt-Film“? Livio Cornea von der jüdischen Gemeinde warnt: „Der Film könnte judenfeindliche Wirkung haben.“ Müssten nicht gerade die frommen jüdischen Politiker, wenn sie sich diesen Film antun, ihre eigene Selbstgerechtigkeit in der Haltung der Hohepriester damals sehen? Und die arabischen Jugendlichen, sehen sie den leidenden Juden, oder sehen sie nur die Leid fordernden Hohepriester? Die heutigen Bilder von den zerfetzten Körpern und dem Blutbad nach Selbstmord-Anschlägen gleichen denen vom zerschundenen Leib des Jesus aus Nazareth. Wer sind die, die das Blutbad anrichten und sich dabei selbst mit dem Blut ihres Opfers bespritzen? Wer sind die Hintermänner? Sehen arabische Kinogänger auch die Friedensbotschaft? Gerade die maßlosen Gewaltszenen des Films machen seine Wirkung zwingend – weltweit. Klaus Wolschner