: Harte Probe für die LeserInnen
betr.: „Ein starker Abgang“, „Verletzungen eines Grenzgängers“ und Karikatur in der taz vom 6. 6. 03
Manchmal stellt ihr die Liebe eurer Leser aber auf eine verdammt harte Probe! Eure Schlagzeile heute „Ein starker Abgang“ – na ja, da hab ich mir noch gesagt: Im Stillen hat sich das wohl fast jeder gedacht, aber als Titel kommt es mir doch ein bisschen zu respektlos (zum Beispiel den Hinterbliebenen gegenüber) daher. Aber mit der Karikatur auf der Meinungsseite finde ich, ist das Maß übervoll. Ich mag die taz nicht zuletzt deshalb so sehr, weil sie so oft sich dem in immer mehr Bereichen zu beobachtendem Verschwinden der Empathie entgegenstellt. Aber dieser Cartoon zu diesem Zeitpunkt – nein, ich finde das geht nicht. Und sicherlich nicht nur ich? BRIGITTE EILERT-OVERBECK
Sehr geehrte Frau Gaus, in Ihrem Beitrag zu Möllemanns Tod ist ein weit verbreiteter Irrtum über das lateinische Sprichwort weitergegeben worden, der um ein entscheidendes Quentchen danebenliegt: „De mortuis nihil nisi bene“ heißt nicht: „Über die Toten nichts, es sei denn Gutes“, sondern – „bene“ ist Adverb! – „über die Toten nur auf gute (anständige) Art und Weise (reden/schreiben)“.
Der ethische Unterschied ist bedeutsam. Diese „tiefe Weisheit“ befreit nämlich von dem in der falschen Übersetzung enthaltenen Zwang, Ungutes zu verschweigen. Sie legt allerdings die Verpflichtung auf, auch das Ungute auf eine anständige Art und Weise, zum Beispiel unter Verzicht auf Beschimpfung und Herabsetzung, auszudrücken. Insofern ist dieser Spruch auch eine befreiende ethische Richtschnur, die der aufklärenden Berichterstattung und Kommentierung nur noch einmal – für diesen Grenzfall, in dem moralisch nicht so gefestigte Menschen ihrem aufgestauten Ärger ohne Angst vor Rache durch die gerade verstorbene Person Luft machen wollen könnten – eine eigentlich selbstverständliche Norm in Erinnerung ruft. Ansonsten: Respekt und Bewunderung für Ihre fast immer menschlichen, klaren, aufklärenden und sympathischen Berichte und Kommentare! CLAUS TIEDEMANN, Kiel
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