KOSOVO-KRIEG: SERBIEN-MONTENEGRO KLAGT BEIM IGH GEGEN DIE NATO
: Ein Prozess mit absehbarem Ende

Eigentlich ist es einer der wichtigsten Prozesse, die der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag je verhandelte: Serbien-Montenegro, Nachfolgestaat der Bundesrepublik Jugoslawien, will klären lassen, ob der Kosovokrieg gegen das Völkerrecht verstieß oder nicht. Bei dieser Gelegenheit könnte das UN-Gericht endlich verbindlich entscheiden, ob humanitäre Interventionen zulässig sind: Schließlich hatten die Nato-Staaten behauptet, sie brauchten für ihren Angriff kein Mandat des Sicherheitsrates, weil die Sicherung von Menschenrechten Vorrang vor der Souveränität von Staaten habe. Viele Völkerrechtler halten diese Argumentation aber für unzulässig und äußerst gefährlich, weil sie Angriffskriegen Tür und Tor öffnet.

Doch selbst wenn der IGH eine humanitäre Intervention für rechtlich möglich hielte, könnte dieser Prozess für die Nato-Staaten heikel werden. Denn nach wie vor ist ungeklärt, ob im Frühjahr 1999 tatsächlich die Serben mit der ethnischen Säuberung des Kosovo begannen oder ob dies nicht eher eine Konstruktion der Nato zur Rechtfertigung einer ohnehin geplanten Intervention war. In der ersten Phase des Verfahrens wird es allerdings nur um die Zuständigkeit des IGH gehen. Und vermutlich wird das Verfahren hiermit auch enden, denn juristisch hat Serbien-Montenegro schlechte Karten. Schließlich hat es sich – um nicht selbst wegen der Balkankriege verklagt zu werden – erst nach Beginn der Kämpfe und nur für die Zukunft der Rechtsprechung des IGH unterworfen.

Doch eine frühe Einstellung des Verfahrens liegt nicht nur im Interesse der Nato-Staaten, sondern auch Serbien-Montenegros. Schließlich will das Land sich der EU annähern und ist auf westliche Kredite angewiesen. So wird der Prozess wohl enden, ohne dass die Regierung in Belgrad gezwungen ist, dem Nato-Druck zur Rücknahme der Klage nachzugeben. Der serbischen Bevölkerung wurde damit immerhin gezeigt, dass man im Rahmen des Möglichen die Interessen des Landes wahrt. Und die wichtigen juristischen Streitfragen? Die bleiben ungeklärt. Aber das ist im Völkerrecht ja leider häufig der Fall. CHRISTIAN RATH