Wenn Hass, dann mit Inbrunst
Der Film „Sophiiie!“ ist für die Schauspielerin Katharina Schüttler eine tour de force durch eine höllische Hamburger Nacht
Wenn Sie nicht so gut wäre, könnte man den Film kaum ertragen. Regisseur Michael Hofmannn schickt seine Titelheldin „Sophiiie!“ auf eine Höllenfahrt durchs nächtliche Hamburg, bei der die junge Frau selbstzerstörerisch immer genau das Schlimmste tut. Sie wird gedemütigt, missbraucht, besäuft sich sinnlos und schon nach den ersten paar Minuten weiß man, dass es nicht gut enden kann. Aber Katharina Schüttler spielt so intensiv, glaubwürdig und faszinierend, dass man einfach weiter zugucken muss.
taz: Frau Schüttler, Sie gehen in diesem Film ja permanent an die Grenzen. Wenn man das sieht, ist der erste Impuls „Gott, ist die noch jung“ und der zweite „Das kann man ja auch nur machen, wenn man so jung ist.“
Katharina Schüttler: Je älter man wird, desto schwieriger ist es, sich so was zu trauen. Weil immer mehr mit dranhängt für einen und man mehr Verantwortung übernimmt. Aber andererseits freut man sich ja als Schauspielerin, wenn man was zu spielen kriegt. Was beim Film angeboten wird, ist doch fast alles Mist. Und selbst wenn du ’ne gute Rolle kriegst, ist die meist langweilig zu spielen.
Es gibt ja diese Szene in einer Bar, wo Sie eine Horde besoffener Männer bis aufs Äußerste provozieren. Und zwar so echt, dass man wirklich Angst bekommt.
Das war auch beim Drehen hart an der Grenze. Wir hatten zwar Superkomparsen, die natürlich wussten, dass wir einen Film drehen. Und dennoch kamen die immer mehr in eine ganz komische „So kann man sich aber nicht benehmen, Mädchen“-Stimmung. Weil wir die Szene im Stück gedreht haben, hatte das viel vom Theaterspielen, wobei die dann das Mitmachpublikum waren. Die konnten sich einfach nicht vorstellen, dass wir immer nur so taten als ob. Die dachten, wir hätten wirklich Stress. Dadurch wurden die immer aggressiver mir gegenüber.
Der Film hat ja so etwa den Dogma-Look. Alles wirkt dokumentarisch, ist mit digitaler Kamera und ungeschönt gedreht. Hat da der Regisseur aus der Not des kleinen Budgets eine Tugend gemacht?
Ne, anders wäre das gar nicht gegangen. Der Film bewegt sich ja oft auf einem schmalen Grad. Gerade bei der Kneipenszene haben wir alle Schiss gehabt, denn wenn die nicht glaubhaft gewirkt hätte, wäre das Publikum nicht mit auf die Reise gegangen. Und wenn man schön ordentlich auf Film gedreht hätte, jede Einstellung einzeln und noch einmal und noch einmal, hätten wir die Wirkung nie erreicht.
Die Sophie geht einem ja auch ziemlich auf die Nerven – und dennoch kommt man ihr im Laufe des Film fast mit Widerwillen näher. Wie haben Sie das gemacht?
Da kommt es auf jede Kleinigkeit an. Ursprünglich sollte die Sophie etwa Jeans und Tanktop tragen, aber da wäre sie einem viel eher unsympathisch geworden. Ich glaube, dass es viel ausmacht, dass sie nun ein Kleid anhat. Dadurch wirkt sie viel zerbrechlicher, mädchenhafter, und wenn sie sich dann so extrem verhält, wirkt das noch schräger.
Wie kommt der Film beim Publikum an?
Er polarisiert immer. Die Leute lieben oder hassen ihn, und wenn sie ihn hassen, dann mit Inbrunst. Die wollen dann einfach nicht glauben, dass wir „Sophiiie!“ nicht gemacht habem, um zu schockieren. Oder ganz oft sagen sie auch „Ich glaub’ das einfach nicht, so ist die Welt nicht.“. Aber im Film geht es doch nicht um die Realität, sondern um so etwas wie Wahrhaftigkeit. Den Leuten scheint das alles so nah zu gehen, dass sie dann total abblocken. Aber ich bin immer fein raus. Selbst wenn die Leute den Film total ablehnen, denken sie am Schluss doch, ich wäre das arme Opfer von Michaels perverser Fantasie.
Interview: Wilfried Hippen
„Sophiiie!“ läuft in der Schauburg