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Archiv-Artikel

Begeisterung im Sari

Früher stand auf den Flyern: Indien-Partys. Und keiner kam. Mittlerweile bezeichnet Wekas Gaba seine Clubreihe als Bollywood-Partys – und siehe da: Ihm wird die Bude eingerannt

Schließlich tanzen alle – zu einer türkischen Version von „I will survive“

von KIRSTEN KÜPPERS

Viele Inderinnen pflegen ihre Liebe zum Bollywoodfilm auch in Berlin. Sie drehen die Musik auf, rücken die Möbel beiseite und tanzen die Musicalszenen in der eigenen Wohnung nach. Das geht schon lange so. Mit der erfreulichen Entwicklung, dass sich das Bollywoodkino jetzt auch in Deutschland steigender Beliebtheit erfreut, ist diese Freizeitbeschäftigung endlich auch außerhalb privater Räumlichkeiten möglich. Nicht nur haben sich etliche Tanzschulen zum Einstudieren von Bollywood-Choreografien in der Stadt gegründet. Es hat sich auch eine ganze Veranstaltungsreihe zum Thema etabliert.

Die so genannten Deewane-Partys finden inzwischen einmal im Monat statt. Regelrechte Massenzusammenkünfte sind das. 500 und mehr Menschen tanzen an diesen Abenden zu indischer Popmusik, sie gucken Bollywoodfilme, essen indische Gerichte. Und jetzt kann man schon wieder diejenigen kommen sehen, die fragen: Was ist das für eine neumodische ethno-folkloristische Veranstaltung?

Der Erfinder der Deewane-Partys ist ein Germanistikstudent. Wekas Gaba ist 21 Jahre alt. und für gewöhnlich trägt er eine Ballonmütze auf dem Kopf. Die Sache hat vor drei Jahren mit einem indischen Restaurant in Prenzlauer Berg ihren Anfang genommen. Als Afghane indischer Herkunft, aufgewachsen in Hamburg, der zusammen mit einem Pakistaner in Berlin ein Restaurant aufmacht, fing Wekas Gaba an, sich über so schwierige Fragen wie Identität, Klischeebildung, südostasiatische Küche, Themengastronomie, Buddha-Statuen usw. Gedanken zu machen. Er und sein Kollege haben in dem Lokal dann auf die Statuen verzichtet.

Kurz darauf wollte Wekas Gaba Partys organisieren. Er wollte nach dem gleichen Prinzip wie bei dem Restaurant vorgehen. Er wollte die Partys groß und modern gestalten, es sollten Veranstaltungen werden, die charakteristische indische Kulturattribute vorführten, ohne dass sich diese Abende deswegen auf bestimmte Stereotype festlegen lassen sollten. Er wollte DJs anheuern, die Clubmusik mit Weltmusikeinflüssen auflegen. Es sollte Modenschauen geben, Videoprojektionen, Livemusik, Filmvorführungen, Tanzeinlagen und ein indisches Buffet. Es sollten Partys sein für alle Inder in Deutschland und für die anderen Menschen auch. Wekas Gabas wollte damit viel Geld verdienen.

Am Anfang war es nicht leicht. Gabas ließ Flyer drucken, auf denen „Indien-Partys“ stand. Und keiner kam. Wegen der Assoziation von Hippies, Batikkleidern und Jutetaschen, sagt Gabas. Jetzt nennt er seine Clubreihe im Untertitel Bollywood-Partys. Und wohl nicht zuletzt wegen der neuen Popularität von Bollywood in Deutschland sind diese Abende nun immer sehr gut besucht. In Nordrhein-Westfalen, wo Wekas Gaba seinen Deewane-Club auch veranstaltet, kommen regelmäßig über 800 Gäste und mehr.

Am vergangenen Samstag wurde der Club Deewane im Café Global im Haus der Kulturen der Welt abgehalten. Und da konnte man es dann tatsächlich erleben, wie die Menschen hereinströmen zu einem solchen Ereignis. Viele sehr schöne Frauen und viele elegante Männer. Vor allem Inder, Türken und Asiaten sind darunter. Die Frauen haben sich Saris oder Cocktailkleider angezogen, einige Männer erscheinen im weißen Anzug mit Schlangenledergürtel. Nur die deutschen Studenten tragen, was sie immer tragen. Und so nimmt ein Samstagabend seinen Lauf.

Alle stehen ein wenig schüchtern herum, sehen gut aus und schauen sich an. Auf eine Videoleinwand werden Sequenzen aus Bollywoodfilmen projiziert: Männer mit Schnauzbärten küssen Frauen mit großen Brillen. Die Musik versucht alles. Sie geht von Asian Underground über Bhangra zu Bollywood-Soundtracks, deutschem HipHop und R ’n’ B. Die Frau hinter dem Snackbuffet wippt im Takt. Aber es müssen erst die Mädchengruppen kommen, diese wahnsinnig mutigen Mädchen, die sich zusammen auf die Tanzfläche stellen und einfach lostanzen, obwohl alle gucken. Und es muss auch erst noch der Hit von Panjabi MC aufgelegt werden, in einer besonders langen Version, bevor dann alles wirklich in rauschender Begeisterung aufgeht.

Und als dann irgendwann später noch einmal eine insgesamt etwa 200 Inder, Koreaner, Deutsche, Türken und Pakistaner umfassende Menge für eine türkische Version von „I will survive“ auf die Tanzfläche schwappt, denkt man plötzlich an die Vietnamesen in Friedrichshain.

Für ihr traditionelles Neujahrsfest im Februar hatten sie in diesem Jahr einen bezirkseigenen Jugendclub gemietet. Die Feier war sehr schön gewesen. Die Frauen hatten Frühlingsrollen mitgebracht, vietnamesische Lieder wurden gespielt. Und irgendwann waren dann alle aufgestanden, hatten geklatscht und in einem leicht brüchigen Spanisch „Guantanamera“ gesungen.

Die nächste Deewane-Party findet am 19. Juli im Oxymoron in den Hackeschen Höfen statt. Informationen unter www.club-deewane.com