: Luxus-Stoff für den Tank hält nicht, was er verspricht
Supersprit von Shell soll Autos spritziger machen. Kunden sind begeistert, Autohersteller aber zweifeln. Der ADAC spricht gar von „Placebo-Effekt“
FREIBURG taz ■ Die Produktstrategie ist bemerkenswert: Die deutschen Autofahrer beklagen die hohen Benzinpreise, da präsentiert Shell einen Kraftstoff, der 13 Cent mehr kostet als Super-Benzin. V-Power heißt er, V steht für Victory, den Sieg. Als erster auf dem Markt hat er 100 Oktan – und damit zwei mehr als herkömmliches Super-Plus. Mehr Leistung soll er bringen, dafür bürgt denn auch Formel-1-Weltmeister Michael Schumacher. Wer tankt den Luxussprit, der seit einem Monat im Handel ist?
Über zehn Prozent der Kunden, behauptet Shell, weitaus nicht nur sportliche Fahrer, berichten Tankwärter. Der Hersteller lobt das Benzin in den Kraftfahrer-Himmel: Bis zu zehn Prozent mehr Leistungssteigerung seien drin, bessere Beschleunigungswerte, höheres Drehmoment. Der Schlüssel für den versprochenen Kick liege einerseits in Zusätzen, die die Reibung am Kolben minimieren sollen, andererseits in der hohen Oktanzahl. Vor allem sportlich ausgerichtete Motoren sind darauf ausgelegt, bei solch höherer Verdichtung mehr zu leisten.
Der Haken: Kaum ein gängiger Motor ist in der Lage, sich auf mehr als 98 Oktan einzustellen. Bislang sind Autos lediglich auf die gängigen, niedrigeren Oktanzahlen eingestellt. „Eine Erhöhung der Oktanzahl über den Oktanbedarf des jeweiligen Fahrzeugs hinaus würde zu keiner Leistungssteigerung führen“, heißt es dazu in einer Studie der Shell-Forschung selbst.
Autohersteller unken bereits, die Mehrkosten kämen ungenutzt aus dem Auspuff heraus. „Die 100 Oktan werden von unseren Motoren gar nicht berücksichtigt“, sagt Rolf Grundhöfer, Produktberater bei Audi. Gleiches bestätigen Toyota, VW, Mercedes und Ford. „Die Motoren müssten umprogrammiert werden“, so auch Porsche-Sprecher Jürgen Pippig. Nur bei Ferrari ist das anders. „Unsere Modelle können sich auf den Kraftstoff optimal einstellen“, verspricht ein Sprecher. Sein Rennstall entwickelte den Sprit ja auch mit.
Derzeit testet der ADAC – gewöhnlich kein Feind schneller Fahrweise – den Kraftstoff. Aber auch deren Ingenieurin Andrea Gärtner erwartet keine Wunder. Shell konnte dem ADAC bei einer internen Präsentation seine Versprechen nicht nachweisen. Gärtner: „Die Leistung hat sich im besten Fall um fünf Prozent verbessert.“ Und das hänge wohl weniger mit der erhöhten Oktanzahl als vielmehr mit der Schmierwirkung der Additive zusammen. Mehrmals getankt, reinigten sie offenbar den Motor. Gärtner aber macht noch einen anderen Grund für die Begeisterung der Käufer aus: „Ein Placebo-Effekt.“ Wer viel teurer tankt, will sich eben auch besser fühlen. RENÉ ZIPPERLEN