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Archiv-Artikel

Blair wuchert mit Pfunden

Britische Regierung verkündet ein „Nein, aber“ zur europäischen Gemeinschaftswährung. Kein Beitritt zum Euro jetzt – aber nächstes Jahr wird entschieden, ob erneut entschieden wird

Von D. J.

BERLIN taz ■ Großbritannien tritt bis auf weiteres nicht dem Euro bei, sondern bleibt beim britischen Pfund. In einer mit Spannung erwarteten Erklärung vor dem Londoner Unterhaus kündigte der britische Finanzminister Gordon Brown gestern Nachmittag keinen Termin für eine Volksabstimmung über einen britischen Eurobeitritt an, sondern verkündete stattdessen eine „Reformagenda“ sowohl in der britischen Wirtschaftspolitik wie auch innerhalb der EU, um die Volkswirtschaften Großbritanniens und der Eurozone einander weiter anzunähern.

Erst nach der Vorlage des Staatshaushaltes für 2004 werde die britische Regierung entscheiden, ob dann eine erneute Entscheidung über die Möglichkeit eines Euro-Beitritts getroffen werde, so der Minister. In seiner halbstündigen Rede vermied Gordon Brown sorgfältig jede rhetorische Euroskepsis. Er wiederholte wie schon in vergangenen Reden, dass es „im Prinzip“ richtig sei für Großbritannien, dem Euro beizutreten. Als Vorteile eines Beitritts nannte er Altbewährtes: geringere Transaktionskosten, ein geringeres Wechselkursrisiko, mehr Außenhandel und niedrigere Zinsen. „Mitgliedschaft in einer erfolgreichen Einheitswährung wäre ein Vorteil“, so Brown.

Doch neben der allgemeinen Zustimmung zum Euro äußerte Brown eine Fülle von Detailkritik an der Wirtschaftspolitik der Eurozone und der Praxis der Einheitswährung, die einem britischen Beitritt entgegenstünden. „Im Prinzip will ich der gemeinsamen Währung beitreten – in der Praxis müssen wir sicher sein, dass alle Bedingungen stimmen“, so Brown. Es gebe noch erhebliche strukturelle Unterschiede zwischen den Volkswirtschaften Großbritanniens und der Eurozone, die einem Beitritt heute entgegenstünden und „ein Risiko für die Stabilität darstellen könnten“, sagte Brown.

Von den „fünf ökonomischen Tests“, von deren Ausgang Brown 1997 eine Entscheidung über einen Euro-Beitritt abhängig gemacht hatte, sah er nach wie vor nur einen als klar erfüllt an – die Auswirkung auf das britische Bankenwesen. Dies hatte er schon vor fünf Jahren so gesehen. Zwei andere sah er als nur bedingt erfüllt an; zwei weitere Kriterien – die zunehmendere Konvergenz zwischen den strukturellen Zyklen der Volkswirtschaften Großbritanniens und der Eurozone und eine größere Flexibilität der EU-Wirtschaftspolitik – seien nicht erfüllt.

Brown kündigte Vorschläge auf EU-Ebene an: eine Reform der Europäischen Zentralbank und Zollsenkungen, um eine „effektive transatlantische Partnerschaft“ zwischen der EU und den USA herzustellen.

Die oppositionellen Konservativen, die eine Euro-Einführung ablehnen, forderten eine sofortige Volksabstimmung. Die deutsche Bundesregierung hofft auf ein positives Votum aus London im nächsten Jahr. Der Euro-Beitritt müsse sorgfältig vorbereitet und die Bevölkerung „mitgenommen werden“, so ein Sprecher der Bundesregierung. D. J.

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