: Belgiens Premierminister wider Willen
Der 61-jährige Herman Van Rompuy wollte nie Premier von Belgien werden. König Albert II. ließ ihm keine Wahl: Van Rompuy soll den Dauerstreit zwischen Flamen und Wallonen schlichten FOTO: REUTERS
Herman Van Rompuy wollte nicht der neue Premier Belgiens werden. Tagelang hatte sich der flämische Christdemokrat strikt geweigert, das vakante Amt zu übernehmen. Doch dann wurde der 61-Jährige von König Albert II. ins Brüssler Schloss vorgeladen und nach einer Stunde hatte der Monarch ihn so weit: Van Rompuy wird nun versuchen, eine neue Regierung für Belgien zusammenzustellen. Aber seine Lustlosigkeit ist den Belgiern nicht entgangen: „Premier wider Willen“ titelten gleich mehrere Zeitungen. Ihre Kommentatoren sind voller Verständnis. Es sei ein „Scheißjob“, Regierungschef in Belgien zu sein.
Seit den Wahlen im Juni 2007 ist dies nun schon die vierte Regierungskrise. Diesmal musste der bisherige Premier Yves Leterme kurz vor Weihnachten zurücktreten, weil sein Büro offenbar versucht hatte, Einfluss auf die Justiz zu nehmen. Es ging um den Verkauf der Pleitebank Fortis an die französische BNP Paribas.
Van Rompuy weiß nur zu gut, was es bedeutet, Ministerpräsident von Belgien zu sein: Schließlich war er von 1993 bis 1999 schon einmal Finanzminister und Vizepremier. Damals gelang es dem Ökonomen, das Staatsdefizit deutlich zu reduzieren – was bis heute als die größte Leistung dieses lebenslangen Berufspolitikers gilt.
Nach dieser Regierungserfahrung jedenfalls drängte es Van Rompuy nicht wieder ins Kabinett. Trotz des Wahlsiegs der flämischen Christdemokraten im Juni 2007 blieb er freiwillig im Parlament – und wurde dort der Vorsitzende.
In Belgien gilt Van Rompuy als Intellektueller, was auch an seiner Homepage liegt, die er vor allem in den Oppositionszeiten von 1999 bis 2007 hingebungsvoll gepflegt hat (www. hermanvanrompuy.typepad. com). Dort verteilt der vierfache Vater unter anderem Buchtipps. Auch „Rot“ von Uwe Timm gehört dazu. Vor allem aber scheint er ein Fan des französischen Bestsellerautors Eric-Emmanuel Schmitt zu sein.
Eine weitere Attraktion der Homepage sind die Haikus, die einen Zug zum Melancholischen erkennen lassen. Der letzte stammt vom 15. November und lautet wörtlich übersetzt: „Das letzte Blatt fällt. Kahle Stangen stehen hervor. Der Winter frischt auf.“
Die Belgier scheinen durchaus angetan zu sein von der Idee, dass Van Rompuy ihr neuer Premier sein soll. In einer Online-Umfrage der flämischen Tageszeitung Standaard halten ihn rund 80 Prozent für eine gute Wahl.
Auch die wallonische Presse reagiert positiv. In einem Kommentar von La Dernière Heure heißt es: „Wir müssen Van Rompuy dankbar sein, dass er endlich seine Verantwortung angenommen hat.“
ULRIKE HERRMANN