Aus der fränkischen Provinz

Den Trend schon längst gewittert, wenn nicht mit angeregt: Juergen Teller glänzt bei seiner ersten deutschen Galerieschau bei Contemporary Fine arts mit dokumentarischer Fotografie

Bei Teller fiel schon immer ein ungekünstelter Charme auf

von BRIGITTE WERNEBURG

Heimat: Vielleicht kann nur dieser Begriff die Sicherheit erklären, mit der Juergen Teller das fränkische Bubenreuth und seine kleinbürgerliche Herkunft umstandslos in die Bilderwelt von Mode und Glamour integriert, die in Metropolen wie London und New York in Szene gesetzt wird. Irgendein sehr solides Gefühl des Vertrauens in sich, seine Umgebung und was er tut, ein Gefühl also, das der Begriff Heimat beschreiben könnte, liefert dem heute 39-jährigen Star der Modefotografie offensichtlich die Basis, die es ihm ermöglicht, die schwangere Kate Moss auf einer Motoryacht an der Cote d’Azur ganz und gar problemlos in eine Abfolge mit den Porträts der Angestellten der „Josef Teller OHG, Frankenstr. 43, 91088 Bubenreuth“ zu stellen, des Familienbetriebs, wo Stege für Saiteninstrumente gefertigt werden. So wie es jetzt bei Contemporary Fine Arts zu sehen ist.

Der Mann ist bei sich zu Hause. Daher wundert es einen nicht, wenn man erst kürzlich in einem Interview las, wie er sagte: „Ich glaube, ich bin da angelangt, wo ich eins mit mir bin“. Anders, als es sich im Interview darstellen mochte, ist dieses Einssein mit sich selbst weniger durch den Erfolg seiner Arbeit bedingt (zu dem neben Gruppenausstellungen wie etwa in der Tate Modern, inzwischen auch die Einzelausstellung Märchenstüberl im Stadtmuseum München und dem Folkwang Museum Essen gehören), als dass es dessen Voraussetzung zu sein scheint. In Juergen Tellers fotografischem Werk fiel schon immer ein ungenierter, ungekünstelter, authentischer Charme auf, der den Ikonoklasmus seiner Modefotografie begleitete, die den Backstage-Bereich der Glamourwelt ans Licht der Öffentlichkeit hob. Als sich Teller vom Leben und der Arbeit hinter den Kulissen scheinbar überwältigen ließ und dabei den blinden Fleck der Mode markierte, den sie in ihrer Konzentration auf den Glanz verfehlen musste, revolutionierte er in den 90er-Jahren die Modefotografie. Mit seinen Bildstrecken in i-D, Dazed & Confused oder The Face avancierte er zum Starfotografen, dessen Bilder am Rande der Fotoreportage angesiedelt schienen und Dokumentarismus gewesen wären, wären sie nicht vor allem Stil gewesen.

In seiner ersten deutschen Galerieausstellung „Zwei Schäuferle mit Kloß und eine Kinderportion Schnitzel mit Pommes Frites“ sind die Bilder, die – dem Titel entsprechend – meistenteils von der fränkischen Provinz, in der er aufwuchs, handeln, nun dem Dokumentarischen ein großes Stück näher gerückt. Tropfsteinhöhlen, die Kantine des Familienbetriebs, ein Zettel der Geschäftsleitung, in dem um das Sauberhalten der Toiletten gebeten wird, die Verwandtschaft und die Angestellten bilden den Großteil der Motive, neben wenigen Bildern, die vage der Welt der Mode zugeordnet werden können, und einer Reihe von Selbstporträts. Das „leicht zerzauste Walross“, als das ihn die Brit-Art-Protagonistin Tracey Emin bei ihrem ersten Zusammentreffen sah, fotografierte sich nackt, nachts, mit Blitz als einen etwas moppeligen, aber nicht unhübschen jungen Mann, der vielleicht gerade der familiären Sauna entstiegen ist, wie seine nasse Haut andeutet.

Zunächst irritiert die anspruchslose Kameraästhetik, die sich bruchlos der anspruchslosen, kleinbürgerlichen Ästhetik der Umgebung, in der Juergen Teller fotografiert, anzupassen scheint. Doch dann, wenn man noch einmal hinschaut und noch ein weiteres Mal – schon weil man an diese Bruchlosigkeit nicht glauben mag – entdeckt man, dass Teller wie immer den Trend schon längst witterte, wenn nicht mit anregte. Denn momentan interessieren und faszinieren nicht mehr die Extreme, der fette Chick und Hochglanz einerseits und andererseits die kaputte Welt à la Richard Billingham. Momentan fasziniert tatsächlich Ehrlichkeit, die Offenheit zuzugeben, wie sehr wir alle in der Mitte bauen. Die natürlich nicht die Neue ist, die, kaum erfunden, schon als passé gilt. Die Mitte, von der Tellers Fotografien berichten, reizt tatsächlich durch die Bodenständigkeit, von der er gerne spricht, im Positiven wie im Negativen.

Bis 19. Juli, Di.–Sa. 11–18 Uhr, Sophienstraße 21