zahl der woche : Mehr Weizen für Öl
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Würde man die Welt nach den Regeln des Brettspiels „Siedler“ aufteilen, hätten es die USA schwer, sich so breit zu machen, wie es ihnen gegenwärtig nachgesagt wird. In dem Spiel gibt es eine Wirtschaft ohne Geld, in der man Naturalien tauschen und damit Siedlungen erwerben kann. Die USA tauschen auf dem realen Weltmarkt Weizen gegen Öl. Sie sind nicht nur der weltweit größte Weizenexporteur, sondern auch der größte Ölimporteur. Seit 1970 hat sich die Menge an Weizen, die die USA für 1 Barrel Öl hergeben müssen, verneunfacht. Neun „Büschel“ Weizen – (1 Büschel: 27 Kilogramm) – müssen die USA auf dem Weltmarkt verkaufen, um Geld für den Erwerb eines Barrel Öl zu erhalten. Vor 34 Jahren betrug der Tauschkurs noch 1 zu 1. In der Siedler-Welt würde es also heute eng für die USA.
Aber die Spielregeln der wirklichen Welt sind nun einmal andere. Die neunfache Verschlechterung der so genannten Terms of Trade für Weizen trägt zwar zum größten US-Handelsdefizit der Geschichte bei. Zahlen dafür muss die Weltmacht derzeit aber nicht. Vor allem Asien und Europa finanzieren das Leistungsbilanzdefizit. So kaufen chinesische Staatsbanken jede Menge Wertpapiere der US-Regierung. Dieser Kapitalzufluss in die USA (die positive Kapitalverkehrsbilanz) ermöglicht es, den Kapitalabfluss für den Kauf von teurem Öl und anderen Produkten (die negative Handelsbilanz) zu decken. Die damit einhergehende Verschuldung der US-Wirtschaft bewertet der Internationale Währungsfonds (IWF) als ein erhebliches mittelfristiges Risiko für die Stabilität der Weltwirtschaft.
Verantwortlich für die Verschlechterung der Terms of Trade zwischen Weizen und Öl ist vor allem der steigende Ölpreis. Dabei spielen drei Faktoren eine Rolle. Erstens drückt das Kartell der Öl produzierenden Länder (Opec) seit der Asienkrise 1997 seine Produktion, um den Ölpreis hoch zu halten. Zweitens reagieren Anleger zunehmend nervös auf politische Krisen und treiben damit den Weltmarktpreis nach oben.
Und drittens steigt die Nachfrage nach Öl. Das Energie-Informationsbüro der USA (EIA) erwartet, dass die Weltölnachfrage von derzeit 81 Millionen Barrel pro Tag um rund 49 Prozent bis 2025 zunimmt. Ein wesentlicher Grund dafür ist das Wirtschaftswachstum Chinas. Der IWF rechnet mit einem Barrelpreis von 32,50 Dollar in diesem Jahr, 8 Prozent mehr als bislang angenommen. So hoch lag der Ölpreis seit der großen Ölkrise Anfang der Achtzigerjahre nicht mehr. Und dieser Schock war ein Auslöser der größten Weltwirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg.
MICHAELA KRAUSE