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Archiv-Artikel

Hoffentlich havarieversichert

EU will Pflichtversicherung gegen Umweltschäden für Firmen und Betreiber von gefährlichen Anlagen. Unklar ist, wie Unternehmen mit uneinschätzbaren Risiken wie Gen-Nahrung versichert werden können. Einigung für heute erwartet

aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER

Beim Umweltrat heute in Luxemburg soll ein Kapitel endlich geschlossen werden, das nun schon die dritte Ratspräsidentschaft beschäftigt: Die Umwelthaftung. Umweltverbände appellierten am Vorabend des Treffens an die Minister, das Verursacherprinzip endlich durchzusetzen. „Europäische Steuerzahler sollten nicht länger die Kosten von Umweltschäden tragen, die verantwortungslose Betreiber verursacht haben“, verlangte Sandra Jen vom WWF. Frederic Thoma von Europäischen Zweig des BUND erinnerte daran, dass die Havarie des Öltankers „Prestige“ geschätzte Kosten von einer Milliarde Euro verursacht habe. Nur 170 Millionen seien durch den Haftungsfonds gedeckt.

Deshalb ist die Frage, ob Betreiber eine Haftpflicht abschließen müssen und ob der Staat einspringt, wenn die Deckungsgrenze überschritten wird, ein zentraler Punkt der Reform. Die griechische Ratspräsidentschaft will die Pflichtversicherung durch großzügige Übergangsfristen den zögernden Mitgliedsländern schmackhaft machen: Erst fünf Jahre nachdem die Richtlinie in Kraft getreten ist, soll die Versicherung Vorschrift sein.

Frankreich und Großbritannien lehnen die Haftpflicht bislang ab. Österreich, Portugal, Spanien und Finnland sind dafür. Auch Deutschland will sie einführen, den Anwendungsbereich der Richtlinie aber stark einschränken, um den Versicherungsgesellschaften die Risikoeinschätzung zu erleichtern. Setzt sich der Anwendungsbereich durch, den Kommission und Parlament anstreben, werden sich für viele Risiken keine Versicherer finden. Für das Risiko möglicher Langzeitschäden durch genetische Nahrung etwa wird kaum ein Versicherer einstehen wollen.

Was Betreiber tun sollen, die ihre Haftpflicht nicht erfüllen können, weil sie keinen Versicherer finden, ist völlig offen. Die Bundesregierung schlägt vor, dass die Kommission die Regeln benennt, nach denen die Umwelthaftung europaweit ausgestaltet wird. In einer ersten Phase sollen besonders gefährliche Anlagen, dann die übrigen Betriebe Haftpflicht nachweisen müssen.

Die Kommission hat in ihrem Entwurf genehmigte Stoffe und Anlagen sowie Betriebe, die nach dem neuesten Stand der Technik ausgestattet sind, von der Haftung ausgenommen. Das Europaparlament stimmte Ende Mai in Straßburg gegen derartige Einschränkungen. Auch die Bundesregierung will keine Ausnahmen von der Betreiberhaftung akzeptieren. Natürlich sind auch alle Umweltverbände dagegen, dass die Betriebsgenehmigung einen Blankoscheck bedeutet. Der Anreiz, in Betriebssicherheit zu investieren, würde geringer.

Zahlreiche Schäden wie radioaktive Verseuchung oder Verunreinigung traditioneller Pflanzen durch gentechnisch verändertes Saatgut wären dann von vornherein von der Umwelthaftung ausgenommen. Die Ratspräsidentschaft schlägt als Kompromiss vor, genehmigte Verschmutzungen als strafmildernden Tatbestand vor Gericht zuzulassen. Die Umweltminister müssten einstimmig dafür sein, wenn sie den Kommissionsvorschlag ändern wollen. Am Tag vor dem Treffen zeichnete sich ein kleinster gemeinsamer Nenner noch nicht ab. Die Griechen sind aber fest entschlossen, heute einen Kompromiss zu finden. Denn wenn Ende des Monats ihre Ratspräsidentschaft endet, wollen sie wenigstens ein paar kleine Erfolge vorweisen.