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Archiv-Artikel

Jakob der Redner

„Jugend debattiert“: Beim Bundesfinale in Berlin vertritt der 15-jährige Schüler Jakob Gleim Bremen im Wettstreit um die besten Argumente – aufgeweckt, unbefangen und bisweilen ganz schön frech

taz ■ Jakob Gleim ist ein überaus aufgeweckter Junge. Früher nannte man solche Jugendlichen gerne „rotzfrech“ oder auch „knitz“. Aber diese Attribute würden dem 15-jährigen Schüler aus Schwachhausen, der in die neunte Klasse des Alten Gymnasiums geht, nicht gerecht. Jakob ist überaus beredt, und er verfügt über einen für sein Alter ungewöhnlich großen Wortschatz. Kein Wunder also, dass er sich gegen viele Bremer MitschülerInnen der Sekundarstufe I durchsetzen und das Landesfinale beim Wettbewerb „Jugend debattiert“ für sich entscheiden konnte (taz berichtete).

Heute läuft in einem Berliner Hotel die Qualifikationsrunde. Wenn Jakob da noch ein paar andere Landessieger in Grund und Boden redet, wartet am Sonntag der ganz große Auftritt auf ihn: Das Finale steigt in Schloss Bellevue, vor den Augen von Bundespräsident Johannes Rau und Talkshow-Göttin Sandra Maischberger, die in der Jury sitzt. Neben dem AG-Schüler hält in der Hotel-Runde Sarah Brüning vom Schulzentrum Walliser Straße die Fahne Bremens hoch: Sie tritt an für die Sekundarstufe II.

Ganz unbefangen plaudert Jakob darüber, dass beim Landesfinale Anfang Mai in der Bürgerschaft „der liebe Christian Weber“ in der Jury gesessen habe. In den ersten klassen- und schulinternen Ausscheidungen hatten seine LehrerInnen Jakobs Rededrang noch pädagogisch dosiert bremsen müssen. Da rutschten ihm gelegentlich altersgemäße, aber in den Regularien der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung, die den Wettbewerb veranstaltet, nicht vorgesehene Sentenzen wie „du bist ja wohl total bescheuert“ oder „du bist ja komplett auf‘m Holzweg“ heraus. Dass er beim Debattieren noch Schwächen hat, räumt auch Jakob ein: Aufpassen müsse er, damit er „nicht so laut“ rede und „nicht zu energisch“ werde. Außerdem polarisiere und polemisiere er bisweilen zu stark. Das Nassforsch-Freche hat Jakob mittlerweile versucht zu reduzieren, seine Rhetorik ist glattgeschliffener, reflektierter geworden. Das Argumentieren und öffentliche Sprechen selbst musste ihm niemand mehr beibringen: Jakob sitzt in seiner Freizeit in einem Philosophiekreis und spielt Theater – allerdings sollte man den Teenager nicht in die „Verkopft“-Schublade stecken. Er geht gerne zu Computer-Parties und pflegt das Tennisspiel, auch wenn er von sich sagt: „Ich bin ein Grobmotoriker, so richtig gut werd‘ ich da nicht mehr werden.“

Wie bereitet man sich denn auf so einen Finalwettbewerb vor? Naja, sagt Jakob, er lese eben Spiegel und Stern, und mit seinen Eltern, beide Journalisten, habe er auch über die Themen geredet, die ihm seit ein paar Wochen bekannt sind. Jakob hat sich Listen mit Pro- und Contra-Argumenten zusammengestellt, vor allem via Internet. „Ich hab‘ mir erst mal alles Mögliche rausgegooglet“, sagt er – und fügt, ein wenig altklug, hinzu: „Aber es reicht nicht nur zu pauken, ich muss die einzelnen Punkte schon richtig vernetzen.“

In der Qualifikation heute muss Jakob zwei Debattenrunden überstehen. Einmal geht es um die Frage, ob „als erste Fremdsprache eine andere als Englisch unterrichtet“ werden sollte. Der Bremer möchte dagegen argumentieren, denn: „Ich glaube, man kann sich der Diktatur des Englischen nicht mehr entziehen.“ Danach reden sich die Landessieger der Klassen 8 bis 10 noch die Köpfe darüber heiß, ob in Deutschland lebende Ausländer zum Lernen der deutschen Sprache verpflichtet werden müssen. Sollte Jakob auch diese Hürden auf seine leichtfüßige Art überspringen, müsste er sich vor Johannes Rau entweder darüber auslassen, ob der Fingerabdruck Bestandteil der Personaldokumente sein (er ist dagegen) oder ob die Ganztagsschule zur Regelschule werden soll (er ist vehement dafür).

Den Siegern winkt ein akademisches Rhetorikseminar „in einem Kloster“, ist Jakob zu Ohren gekommen. Was es als Trostpreis gibt, weiß er nicht – aber, so formuliert er trocken, „vielleicht isses ja ein T-Shirt von der Hertie-Stiftung“. Markus Jox