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Archiv-Artikel

Lang war ziemlich kurz

Wer dachte, er könne bei der „Langen Nacht der Museen“ am Samstag endlich mal alle Bremer Musentempel besuchen, brauchte Sprinterqualitäten

Welches Museum hätten’s denn gern? Acht stehen immerhin zur Auswahl in der„Langen Nacht der Bremer Museen“ am Samstagabend. Acht Museen für neun Euro, in sechs Stunden. Ein Mammutprogramm für den passionierten Kunstsprinter.

Kein schlechter Startpunkt war die Kunsthalle, denn hier erhielt der Langläufer die nötigen Kalorien: An Bistrotischen wurden Artischocken mit Champignons gereicht. Vorsicht allerdings mit Gedichten beim Essen, denn vor den Bistrotischen las die Schauspielerin Susan Muhlak Rilke-Gedichte und da stand dann schon mal:

„Die Ziegenmilch aber war schwarz“ – nicht so lecker. Aber so ist die Kunst: Sie überrascht den, der sie unachtsam im Vorbeigehen konsumieren will.

Vor dem Verlassen eines jeden Museum hieß es dann: „Führung oder Nicht-Führung“. Kunsthallenmitarbeiter Jens Bommert gab auf seinem Rundgang dem Museums-Runner zur Artischocke noch Rilkes Weisheit mit auf den Weg. Zum Beispiel, wenn er das Gedicht „Der Panther“ rezitierte: „Sein Blick ist vom Vorübergehen der Stäbe so müd geworden, dass er nichts mehr hält“, steht bei Rilke. „Das passt auch auf den modernen Menschen, der oft nur passiver Zuschauer ist“, interpretierte Bommert. Meinte er die Nacht-der-Museen-Langläufer? Nur manchmal rühre uns ein Bild wirklich an. Doch dazu musste sich der Besucher auch mal Zeit nehmen, sonst sah er tatsächlich alles nur noch an sich vorbeiziehen.

Vor allem für Auswärtige war genaue Planung notwendig. Wer zu schnell in den Sonderbus vor der Kunsthalle sprang, kam zwar zur Ausstellung „Weltspielzeug“ im Überseemuseum. Er sah dort auch, wie Kinder in der Dritten Welt aus Abfall Spielzeug bauen. Aber wer nach der letzten Vitrine fragte, wo das nächste Museum war, der entdeckte, dass gegenüber der Kunsthalle ja noch zwei gewesen wären.

Also zurück im Laufschritt. Im Gerhard-Marcks-Haus war Hektik allerdings fehl am Platze. Sonst hielt man die Pantomime-Künstler, die sich zwischen den Skulpturen verstecken, schnell für Plastiken.

Dann kam eine der härtesten Prüfungen für die Dauerläufer: Gegenüber im Wilhelm-Wagenfeld-Haus warteten weich geschwungene, gepolsterte Stühle – und eine charmante Museumswärterin, die darüber wachte, dass sich keiner auf den Ausstellungsstücken niederließ.

Kein Erbarmen! Vielleicht bei den Christen im Dom? Dort wartete immerhin der Himmel: Hinter einem Parcours mit Szenen aus der Bibel lag ein kreisrunder Raum mit Wolken an den Wänden und einem verspiegelten Boden.

Nach diesen höchsten Weihen schockte auch die freizügige Aktionskunst im Paula-Modersohn-Museum um die Ecke nicht. Dort waren die meisten Jugendlichen an diesem Abend, dort trat Kunst in Aktion. Mit weiß-rotem Baustellenabsperrband waren zum Beispiel nicht nur Skulpturen verhüllt, sondern auch eine ansonsten splitternackte Künstlerin. Da bildete sich schnell mal eine große Menschentraube. Apropos Menschenmassen: In diesem Jahr waren weniger BesucherInnen bei der „Langen Nacht“ – 2.300 statt 4.000 zum Beispiel in der Kunsthalle. Christine Kramer, Pressesprecherin der Kunsthalle, meint: „Im vergangenen Jahr fand ja parallel das Wallfest statt. Trotzdem: Es war überall viel los und nirgends überfüllt.“

So mancher kam sogar von weit her – so wie Helma Bauden aus New York. Dort arbeitet die gebürtige Bremerin als Kunsthistorikerin. „Drüben sind die Sammlungen nicht in die Vorführungen eingebunden wie hier in Bremen“, sagte sie.

Doch alles hat bestimmt auch sie nicht gesehen. Was in der Weserburg passierte, las sich so schön im Programm: Schlagzeuger verwandelten Literatur in Klang. Und das Focke-Museum lockte mit einem „Nachtspaziergang durch die Bremer Stadtteile“. Doch die Uhr schlug zwölf und es blieb nur die Einsicht: „Lang ist die Kunst, kurz die lange Nacht.“ Markus Vollstedt